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Dies ist ein rie­si­ges Ar­chiv von fast al­lem, was Mar­tin Su­ter ge­macht hat, ge­ra­de macht und noch ma­chen will. Sie ha­ben zu bei­na­he al­lem da­von un­be­schränk­ten Zu­gang. Und wenn Sie Mem­ber wer­den, zu noch et­was mehr.

Richtig leben mit Geri Weibel

Von Tahiti lernen

Viel­leicht ist doch et­was dran am Ge­rücht, dass Su­si Schläf­lis Va­ter meh­re­re Pa­ten­te auf dem Be­fes­ti­gungs­tech­nik­sek­tor be­sitzt. Wie sonst könn­te sie sich Fe­ri­en in ei­nem Land leis­ten, wo ei­ne Co­la über fünf Dol­lar kos­tet? Vom Flug dort­hin ganz zu schweigen.

Die Schamp­Bar ver­mu­tet ei­nen Mann da­hin­ter, und Su­si un­ter­nimmt nicht viel ge­gen das Ge­rücht. Aber Ge­ri weiss, dass sie al­lei­ne ge­flo­gen ist. Sie hat es ihm im Ver­trau­en ge­sagt. Denn im­mer, wenn Su­si Schläf­li ei­ne län­ge­re Orts­ab­we­sen­heit plant, wird Ge­ri zu ih­rer Ver­tau­ens­per­son. Das hat we­ni­ger mit Ge­ri zu tun als mit To­ni­to, Su­s­is klei­nem Söhn­chen. Ge­ri ist der ein­zi­ge, den sie zum Ba­by­sit­ten über­re­den kann.

To­ni­to ist zwar bei ih­ren El­tern gut auf­ge­ho­ben, aber Su­si fin­det es to­tal wich­tig, dass er den Kon­takt zu ih­rem Um­feld nicht ver­liert und nicht in Schläf­lis Rei­hen­häus­chen verspiessert.

Ob­wohl Ge­ri die­se Mass­nah­me bei ei­nem gut Ein­jäh­ri­gen für über­trie­ben hält, holt er wäh­rend Su­s­is Ab­we­sen­heit To­ni­to je­den zwei­ten Tag zu ei­nem kur­zen Aus­flug ab, der ab­wechs­lungs­wei­se ins Fisch&Vogel oder ins Mu­cho Gus­to führt. Schon nach we­ni­gen Mi­nu­ten ist er je­weils ge­zwun­gen, das Lo­kal wie­der zu ver­las­sen, denn To­ni­to ist am Zah­nen und hasst den Kin­der­wa­gen, auf dem Ge­ri be­steht. Selbst Frau Schläf­li, die im In­ners­ten über­zeugt ist, dass es sich bei Ge­ri um den von Su­si so stand­haft ver­heim­lich­ten Kinds­va­ter han­deln muss, schafft es nicht, ihn da­zu  zu be­we­gen, To­ni­to im Ba­by­beu­tel vor der Brust zu tra­gen. Selbst bei Ge­ri Wei­bel kennt das Nicht-Nein-Sa­gen-Kön­nen Grenzen.

Al­le sind froh, als Su­si wie­der da ist, aus­ser Su­si selbst. Sie trägt ei­ne Blü­te hin­ter dem Ohr und ist in Ge­dan­ken weit, weit weg. Sie spricht we­nig, trinkt zwei Dai­qui­ris, und als Char­ly ihr das Wech­sel­geld bringt, steckt sie al­les ein und lässt statt ei­nes Trink­gelds die be­reits et­was an­ge­welk­te Hi­bis­kus­blü­te auf dem Tel­ler­chen zurück.

Char­ly ver­mu­tet Jet­lag und stellt die Blü­te in ei­nem Schnaps­gläs­chen ne­ben die Kas­se. „So­lan­ge sie nicht be­zahlt mit Blü­ten“, grinst er zu Carl Schnell, als Su­si ge­gan­gen ist.

Als Char­ly am nächs­ten Tag das Wech­sel­geld für ih­re Dai­quris bringt, klaubt Su­si in der Hand­ta­sche. Viel­leicht, denkt Char­ly, ist ihr das von ges­tern ein­ge­fal­len und sie will die zwei Fran­ken dreis­sig auf dem Tel­ler­chen et­was auf­sto­cken. Aber Su­si bringt ein lee­res Jo­ghurt­glas zum Vor­schein und ent­nimmt ihm zwei weis­se Ste­fa­no­tis­blü­ten. Sie schaut Char­ly tief in die Au­gen und sagt: „Dan­ke für die net­te Be­die­nung, Char­ly.“ Dann er­setzt sie das Münz auf dem Tel­ler­chen durch die zwei Blü­ten und trip­pelt da­von, wie bar­fuss durch den war­men Sand.

Es bleibt Ge­ri Wei­bel vor­be­hal­ten, die Schamp­Bar auf­zu­klä­ren. An­läss­lich des De­brie­fings von sei­nem Ba­by­sit­ter­ein­satz an ei­nem Zwei­er­tisch­chen im Fisch&Vogel, als Ge­ri ne­ben der Rech­nung et­was Klein­geld lie­gen lässt, schwärmt sie ihm von der trink­geld­lo­sen Ge­sell­schaft Ta­hi­tis vor. Als Su­si am glei­chen Abend Char­ly wie­der mit ei­nem auf­rich­ti­gen Dank und ei­ner Blü­te im Wech­sel­geldtel­ler­chen zu­rück­lässt, trumpft Ge­ri mit sei­nem Wis­sens­vor­sprung auf.

„Du meinst, Sie gibt Char­ly Blü­ten statt Trink­geld, um ihn nicht in sei­nem Stolz zu ver­let­zen?“ staunt Ro­bi Meili.

„Char­lys Stolz“, ki­chert Carl Schnell, „kann man mit Trink­geld nicht ver­let­zen. „Es sei denn, es sei zu klein.“

Fred­dy Gut und Al­fred Hu­ber ver­schlu­cken sich an ih­ren Drinks, und Ge­ri ge­niesst es, der Aus­lö­ser von so­viel Hei­ter­keit zu sein.

Nur Char­ly bleibt merk­wür­dig still. Spä­ter, als die fünf be­zah­len, nimmt er die Wech­sel­geldtel­ler­chen und wischt die Trink­gel­der mit dem Aschen­be­cher­pin­sel in den Abfalleimer.

Da­mit be­ginnt die trink­geld­freie Pe­ri­ode der Schamp­Bar. Die Ab­stell­flä­chen um die Kas­se fül­len sich mit li­kör­glas­gros­sen Va­sen und fla­chen Kris­tall­scha­len, in de­nen Blü­ten schwim­men. Die Gäs­te ge­wöh­nen sich an, Char­ly nach dem Be­zah­len die Hand zu drü­cken und sich in al­ler Form für die Qua­li­tät sei­ner Be­die­nung zu be­dan­ken. Ro­bi Mei­li führt das „Bil­let“ ein, ein klei­nes Kor­re­spon­denz­kärt­chen mit ein paar schrift­li­chen Dankesworten.

Ge­ri Wei­bel ge­lingt es, den gröss­ten Teil der Lor­bee­ren für die­se gast­ge­werb­li­che Re­vo­lu­ti­on für sich zu be­an­spru­chen. Su­si Schläf­li hat zwar mit den Blü­ten be­gon­nen, aber oh­ne Ge­ri, den Pro­mo­ter der Idee, hät­te sie sich nie­mals durch­ge­setzt. Erst als Char­ly die Prei­se um fünf­zehn Pro­zent an­hebt – von ir­gend­et­was muss der Mensch schliess­lich le­ben – be­ginnt Ge­ri sich vor­sich­tig von Ta­hi­ti zu distanzieren.

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