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Dies ist ein rie­si­ges Ar­chiv von fast al­lem, was Mar­tin Su­ter ge­macht hat, ge­ra­de macht und noch ma­chen will. Sie ha­ben zu bei­na­he al­lem da­von un­be­schränk­ten Zu­gang. Und wenn Sie Mem­ber wer­den, zu noch et­was mehr.

Der Rauftgüdi

Ei­ne lei­der nie er­schie­ne­ne An­zei­ge von Mar­tin Su­ter für Em­men­ta­ler Kä­se. Sie er­klärt ein für al­le Mal, wie die Lö­cher dar­in entstehen.

Tief hin­ten im Gül­ti­schen lie­gen zwei, drei Stei­ne auf­ein­an­der, und wenn ei­ner fragt: „Was lie­gen denn da für Stei­ne auf­ein­an­der?“ be­kommt er zur Ant­wort: „Das war einst das stol­ze Haus des Rauftgüdis.

„Auch was?“

„Auch Rin­den­schwen­der.“

„Und was hat es für ei­ne Be­wandt­nis mit dem Rin­den­schwen­der, wenn man fra­gen darf?“

„Al­so gut: Vor über acht­hun­dert Jah­ren war hier, tief hin­ten im Gül­ti­schen, wo sich das Tal öff­net wie ei­ne Reh­wei­de, ei­ne ärm­li­che, schä­bi­ge Sied­lung von ver­ängs­tig­ten Köh­lern, de­ren rus­si­ge Hüt­ten sich un­ter­wür­fig um ein stol­zes, man kann ru­hig sa­gen, schloss­ähn­li­ches Ge­bäu­de scharten.

In die­sem Schlos­se haus­te dröh­nend der Rauf­tgü­di, auch Rindenschwender. 

Der Rauf­tgü­di war ein un­ge­schlach­ter für da­ma­li­ge Ver­hält­nis­se Rie­se (171 cm, Lan­des­durch­schnitt Gül­ti­schen und Gem­lin im 12. Jh.: 142 cm. [Quel­le: kand. hist. Pe­ter Eschen, Turn- und Sport­mu­se­um, Ba­sel, Con­nect.]). Aus die­ser kör­per­li­chen Über­le­gen­heit lei­te­te er das Recht ab, über die ar­men Köh­ler in will­kür­li­cher, jä­her und lau­ni­scher Wei­se zu herr­schen, aber das hat er jetzt da­von, aber dar­über später.

Der Rauf­tgü­di hat­te durch­aus auch sei­ne gu­ten Sei­ten, aber da­von ist kei­ne ein­zi­ge über­lie­fert. Da­für fül­len sei­ne schlech­ten gan­ze solche.

Die schlech­tes­te von Rauf­tgü­dis Sei­ten, und um die­se geht es hier, gab ihm schliess­lich auch sei­nen Na­men: Er geu­de­te (Mund­art: gü­de­te, s. ver­schwen­den, schwen­den) Rin­de (Ber­ner Mund­art: Rauft). Und zwar Kä­se-. Und das masslos.

Wann im­mer der Rauf­tgü­di Kä­se ass, und Kä­se war ei­ne der un­ge­zähl­ten Leib­spei­sen des dick­hal­si­gen Pras­sers, schnitt er acht­los oder pro­vo­zie­rend oder ge­reizt, je nach­dem, mit der Rin­de zen­ti­me­ter­wei­se bes­ten Kä­ses ab, und das in ei­ner Zeit, da es in ei­ni­gen Lan­des­ge­gen­den (Ap­pen­zell) schon gang und gä­be war, den Kä­se mit­samt dem Tel­ler, in den üb­ri­gen Ge­bie­ten ihn mit der Rin­de, oder zu­min­dest mit leicht an­ge­schab­ter oder aber höchs­tens hauch­zart an­ge­schäl­ter Rin­de zu essen.

Und das, wäh­rend sei­ne Un­ter­ta­nen (die ar­men Köh­ler) nicht wuss­ten, wie sie sein hung­ri­ges Maul stop­fen sollten.

Und da­bei pfleg­te er aus­zu­ru­fen: „Eâê sccll êff Riinn hëëbd.“(Wozu ist wohl die Sch… Kä­se­rin­de gut? be­zw.!) Und das schrie er so dröh­nend durch den Spei­se­saal, dass die Wor­te bis zu­hin­terst ins Gül­ti­sche dran­gen und von den ar­men Köh­lern weit­her­um ver­nom­men wer­den konnten:

„Eâê sccll êff Riinn hëëbd!“ „Eâê sccll êff Riinn hëëbd!“

Schreck­lich.

Aber ei­nes Ta­ges, und hier sieht man wie­der sehr schön, wie die Ge­rech­tig­keit ar­bei­tet, als der Rin­den­schwen­der wie­der ein­mal Kä­se auf­tra­gen liess und mit dem Mes­ser ver­geu­de­risch Rin­de fre­vel­te und sein Ruf die (ar­men) Köh­ler auf­seuf­zen liess („Eâê sccll êff Riinn hëëbd!“), stand plötz­lich ein gel­ber Fla­dun vor ihm und zisch­te; ‘Iï­êg éèpf­të Eâê sccll êff Rîînn hëëbd!“ (Ich zeig Dir, wo­zu die Sch… Kä­se­rin­de gut ist!)

Und mit ei­nem Mal war der einst für sei­ne Zeit so rie­sen­haf­te Gü­di nur noch dürf­ti­ge 12 mm gross, was auch für sei­ne Zeit ei­ne lä­cher­li­che Kör­per­grös­se darstellte.

Und der gel­be Fla­dun ver­bann­te den Winz­ling in das In­ne­re des Käses.

Und dort lebt er seit­her und sucht ei­nen Weg nach dem Äus­se­ren des Kä­ses. Doch im­mer, wenn er sich am Ziel wähnt, stösst er auf et­was Har­tes, Un­durch­dring­li­ches: Den Rauft, auch Rin­de. Und dann schreit er aus vol­len Lun­gen: „Iâêzz ll êff Rîînn hëëbd!“ (Jetzt weiss ich, wo­zu die Sch…Käserinde gut ist!)

Aber nie­mand hört ihn. Nur dort, wo er ge­ra­de brüllt, bil­det sich ei­ne Bla­se im Käse.

Wenn Sie ein­mal in ei­nem Kä­se Bla­sen (Mund­art: Lö­cher) fin­den, kön­nen Sie si­cher sein: Hier hat der Rauf­tgü­di „Eâê sccll êff Riinn hëëbd“ geschrien.

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