Der Rollenwechsel

Die Welt er­lebt heu­te ei­nen nach­denk­li­chen Wart­mann. Das ist kei­ne Sel­ten­heit. Er ist kein ober­fläch­li­cher Mensch. Er ist je­mand, der Denk­an­stö­ße nicht nur gibt, son­dern auch annimmt.

Zum Bei­spiel den der Rol­le des Ma­na­gers in der heu­ti­gen Ge­sell­schaft. Kein ein­fa­ches The­ma. Und auch nichts für je­man­den, der nicht ei­ne ge­wis­se Kri­tik­fä­hig­keit be­sitzt. Kri­tik­be­reit­schaft so­gar. Et­was, das bei man­chem so rasch schwin­det, wie die Macht wächst.

Na­tür­lich will Wart­mann nicht dem Selbst­zwei­fel das Wort re­den. Wer an sich selbst zwei­felt, an dem zwei­feln die an­dern. Aber ein we­nig Re­fle­xi­on, ein we­nig Hin­ter­fra­gung des ver­meint­lich ge­fes­tig­ten Wis­sens, das hat auch ei­nem Leis­tungs­trä­ger noch nie geschadet.

Ein Ma­na­ger ist ja in ers­ter Li­nie je­mand, der sei­nen Ar­beits­tag und all­zu oft auch sei­ne Frei­zeit da­für op­fert, ein Un­ter­neh­men kon­kur­renz­fä­hig, kos­ten­ef­fi­zi­ent und ge­winn­ori­en­tiert zu ma­chen und zu hal­ten. Das hat er ge­lernt, und das wird von ihm erwartet.

Aber im ein­und­zwan­zigs­ten Jahr­hun­dert, da macht sich Wart­mann nichts vor, reicht die Ver­ant­wor­tung des Ma­na­gers weit über die­sen Be­reich hinaus:

Mit sei­nem Ein­satz für Ge­deih und Ver­der­ben ei­nes Un­ter­neh­mens wird er au­to­ma­tisch auch mit­ver­ant­wort­lich für das Ge­dei­hen der Wirt­schaft. Und da­mit für das Funk­tio­nie­ren der Ge­sell­schaft. Und da­mit letzt­lich –nein, Wart­mann scheut sich nicht, es zu­en­de zu den­ken –  für das Wohl der Mensch­heit. Und hier greift der ent­schei­den­de Denk­an­satz: Ob die Men­schen in Brot und Ar­beit sind, hängt heu­te nicht mehr von Kö­nigs­häu­sern, Feld­her­ren, Ad­li­gen, Po­li­ti­kern ab, son­dern vor al­lem von – Ma­na­gern. Ein­fa­chen Män­nern (auch ein paar Frau­en), die die­ses Hand­werk ge­lernt ha­ben und red­lich ver­su­chen, es zur Zu­frie­den­heit des An­teils­eig­ners aus­zu­üben. Fach­leu­te, die nichts an­de­res wol­len, als ih­ren Job zu ma­chen und sich da­für der wirt­schaft­li­chen und ge­sell­schaft­li­chen Be­deu­tung ge­mäß ent­schä­di­gen lassen.

Und plötz­lich ist der Ma­na­ger ge­sell­schaft­li­che Leit­fi­gur. Plötz­lich ge­hört er zur fi­nan­zi­el­len Eli­te. Und da­durch au­to­ma­tisch zur so­zia­len und kulturellen.

Prak­tisch von ei­nem Tag auf den an­dern muss er die Rol­le über­neh­men, die frü­her die Spit­zen der Ge­sell­schaft in­ne­hat­ten – de­ren Er­zie­hung und Bil­dung von Kin­des­bei­nen an auf die­ses ho­he Ziel aus­ge­rich­tet war.

Plötz­lich blickt die gan­ze Welt auf den Ma­na­ger und will wis­sen: Wie klei­det er sich? Wie wohnt er? Wie isst er? Wel­che Au­tos fährt er? Was hört er für Mu­sik? Was liest er für Bü­cher? Was sam­melt er für Kunst?

Und nicht nur in Life­sty­le­fra­gen wird der Ma­na­ger zu Leit­fi­gu­ren. Auch ethisch-mo­ra­lisch ist er zur In­stanz geworden.

Ja, fragt sich Wart­mann an die­sem nach­denk­li­chen Tag, wo soll er das denn ge­lernt ha­ben? Wie soll er denn die­ser Rol­le ge­recht wer­den? Darf die Ge­sell­schaft es ihm übel neh­men, wenn er ihr nicht im­mer ge­recht wird?

Ja, be­fin­det Wart­mann, sie darf. Es kann vom Ma­na­ger er­war­tet wer­den, dass er sich auch die­ser Her­aus­for­de­rung stellt und die­se Rol­le als ge­sell­schaft­li­ches Vor­bild an­nimmt. Und er ent­fernt nicht un­ge­schickt den Me­tall­ver­schluss der lee­ren Oli­ven­öl­fla­sche, be­vor er sie in den Glas­con­tai­ner wirft.

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