6. Kapitel

Sie schlief aus, wie früher in der Pubertät. Sie war kurz erwacht und hatte Otto auf dem Nachttischchen gesehen und sich wieder umgedreht. Otto war ein geflickter verwaschener Teddy aus ihrer Kindheit. Wenn er auf dem Nachttischchen sitzen durfte, hieß das, dass sie am Morgen keine Uni hatte. Sonst schlief er in der Schublade. Es sei denn, sie schlief nicht alleine. Dann musste Otto auch in der Schublade schlafen. Denn nicht alleine schlafen bedeutete auch: keine Uni.
Wenn sie keine Uni hatte, arbeitete sie zu Hause oder im Verlag. Dort hatte sie einen Schreibtisch in einem Büro für Volontärinnen. So stand es an der Tür: «Volontärinnen». Obwohl es manchmal auch Volontäre gab. Aber wenn sich einer daran störte, in einem Büro zu arbeiten, das mit «Volontärinnen» angeschrieben war, wurde er ausgelacht. «Was sollen denn wir sagen?», wurde er von den Frauen gefragt. «Das Maskulinum begleitet uns das ganze Leben.»
Marie war keine militante Genderisiererin. Sie fand es ein wenig doof, dass sich Volontäre in ein Büro setzen mussten, an dem «Volontärinnen» stand. Sie hatte einmal vorgeschlagen, die Tür mit «Volontariat» anzuschreiben, und galt bei den Kolleginnen seither ein wenig als «Fräulein».