Die (Beep!)wende
Eines der wirklich grossen Tabus in Geris Szene ist die (Beep!)wende. Nicht einmal darüber, sie totzuschweigen, wurde je ein Wort verloren. Es hatte schon als ausgesprochen kindisch gegolten, am Jahreswechsel 1999 damals etwas Besonderes zu finden.
Robi Meili, Susi Schläfli, Carl Schnell, Freddy Gut und Alfred Huber treiben mit der gleichen Ungerührtheit auf das Ereignis zu wie der Eisberg auf die Titanic. Auch Geri lässt sich selbstverständlich nichts anmerken. Aber wer ihn kennt, weiss, wieviel ihn das kostet. Er ist anfällig auf jede Art von Ereignis. Er gehört zu den Menschen, die sich monatelang auf ihren Geburtstag freuen, obwohl seine Eltern und eine entfernte Tante die einzigen sind, die ihm jeweils dazu gratulieren. Er freut sich auf die Morgenzeitung, das Wochenende, die Übertragung des Grand Prix von Monaco, die Abholung der frisch gesohlten Schuhe und den Espresso nach dem Essen. Aber erstaunlicherweise freut er sich auch jeden Tag auf die Begegnung mit seiner Clique, für die es als uncool gilt, sich auf irgendetwas zu freuen.
Wenn Geri Weibel ein Dackel wäre, er würde den ganzen Tag wedeln.
Für so jemanden ist es natürlich besonders hart, die (Beep!)wende totzuschweigen. Nicht einmal dadurch, dass er es leugnet, darf er das Unereignis thematisieren. In vergleichbaren Szenen weniger strenger Ausrichtung dürfen wenigstens Sätze fallen wie: ”(Beep!)wende? Und nach welcher Zeitrechnung, bittesehr?” Oder: ”Stellt euch die Gesichter vor, wenn die Leute alle merken, dass sie nicht das erste Jahr des neuen (Beep!) gefeiert haben, sondern nur das letzte des alten.”
Auch der (Beep!)Bug ist kein Thema. Etwas, das nicht stattfindet, kann auch keine Katastrophen auslösen, lautet die unausgesprochene Doktrin.
Während die Welt der (Beep!)wende entgegenfiebert, tut man in Geris Kreise, als ob das Besondere an diesem Jahr sei, dass es nie zuende geht. Früher durfte im Dezember immerhin darüber gesprochen werden, wer dem Festtagsrummel wie und wo aus dem Weg geht. Heuer werden Themen, die den Zeitrahmen von drei Stunden sprengen, gemieden. Je unaufhaltsamer sich der Globus der (Beep!)wende entgegendreht, desto angestrengter ist Geris Clique bemüht, die Zeit stehenbleiben zu lassen. Und dafür gibt es bekanntlich kein besseres Mittel als die Vergangenheit.
Sie treffen sich jeden Abend im Club81, dem konsequentesten Achtziger-Revival-Laden des Industriequartiers, und reden von den alten Zeiten. Von der Mexikanisch-Japanischen Freundschaft, wie der gemischte Teller mit Tacos und Sushis hiess, der monatelang der Renner auf der Tageskarte des Mucho Gusto war. Vom Weihnachtsbäumchen, das während des ganzen Jahres in der SchampBar stand und nur über die Festtage abgeräumt wurde. Vom Tag, als Geris Eltern im Fisch&Vogel auftauchten. Und vom Tag, als der Apricot-Pudel Mimi la Douce der SchampBar als Maskottchen zulief.
Aber wer kann schon stillsitzen, wenn der ganze Biertisch schunkelt? Geri Weibel jedenfalls nicht. So sehr er sich auch Mühe gibt wegzuschauen, es entgeht ihm nicht, was ausserhalb der Zeitinsel im Club81 abgeht. In der Parfümerie an der Tramhaltestelle ist die (Beep!)Collection von Yves Rochat ausgestellt: Pailletten-Duschgels und Make-ups und Haarsprays in allen Farben mit den passenden Schablonen. Im Fogal neben dem Kiosk glitzern ihm, ob er will oder nicht, die (Beep!)Dessous in Gold und Aubergine entgegen. In der Spielwarenabteilung muss er sich zurückhalten, dass er seinem Göttibub nicht die (Beep!)Barbie kauft, so gut gefällt ihm ihr mitternachtblaues bodenlanges Ballkleid mit der silbernen Schlaufe um die Taille.
Und dass die ganze Welt, ausser der Besatzung einer ockerfarbenen Achtziger-Sitzgruppe im Club81 darüber spricht, wo sie sich befinden will, wenn nach welcher Zeitrechnung auch immer, zu früh oder rechtzeitigt die (Beep!)wende stattfindet, entgeht Geri auch nicht. Im Gegenteil, er beginnt sich selbst mit der Frage zu befassen. Auf einem Katamaran vor der Küste Kenias mit einer Flasche Moonshine? In einer Tangoschule in Buenos Aires mit einem einarmigen ehemaligen Bandaleon-Spieler? In einer SAC Hütte über allen Nebelmeeren?
Ach was, werden Sie denken, der Geri Weibel wird wieder einmal der einzige sein, der sich an die Regeln hält, die (Beep!)wende ignoriert und um elf im Bett ist, während sich der Rest der Clique ins Lametto wirft.
Ob Sie sich da nicht eventuell geirrt haben erfahren Sie an dieser Stelle. Nach der (Beep!)wende.