Die letzte Männerdomäne

Die letzten zwanzig, dreißig Jahre, in denen Sie sich von der Sekretärin zur Assistentin, von der Assistentin zur Kollegin und von der Kollegin zur Chefin emanzipiert haben, waren keine leichten für die männlichen Kader, die heute Mitte fünfzig sind, meine Damen. Sie können sich trotz Ihres vielgerühmten Einfühlungsvermögens eben doch nicht vorstellen, was es bedeutet, sich neben den labilen Hierarchien der Geschäftswelt plötzlich auch noch mit den unumstößlichen der Geschlechter befassen zu müssen. Dass diese Front in Bewegung geraten würde, darauf waren die männlichen Führungskräfte nicht vorbereitet.
Auch Opfiker nicht. Nicht, dass er etwas gegen Frauen hätte. Im Gegenteil: Frauen hatten immer eine wichtige Rolle gespielt in seinem Leben. Nicht nur im privaten, auch im Geschäftlichen. Er wüsste zum Beispiel nicht, was er ohne Frau Imberg gemacht hätte, seine erste Sekretärin. Und ohne alle ihre Nachfolgerinnen. Er hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, wie wichtig das weibliche Element in seiner Karriere ist. Auch den betreffenden Frauen gegenüber nicht. Er ließ sie spüren, was sie ihm bedeuteten. Auch Ende Monat auf dem Konto.
Selbst später, als Frauen begannen, Positionen zu bekleiden, in die sie – bei aller Sympathie – seiner Meinung nach nicht gehörten, hatte er sie immer mit Respekt behandelt. Opfiker ist kein Macho. Nie gewesen. Er hat zwar seine Meinung über die Geschlechterrolle, aber es könnte ja sein, dass er sich täuscht. Fehler machen ist keine Schande. Nur Fehler nicht eingestehen ist eine. Als Manager ist Opfiker flexibel. Warum sollte er das nicht auch als Mann sein? Es ist ihm bestimmt seit über zehn Jahren nicht mehr passiert, dass er fragt: „Ist der Chef zu sprechen?” wenn sich eine Frau am Telefon meldet (und dann ist sie womöglich selbst der Chef).
Opfiker hat gelernt, Frauen im Beruf als gleichwertige Partner zu akzeptieren. – Also gut, das ist nicht wahr. Aber er hat zumindest gelernt, zu akzeptieren, dass sie als solche akzeptiert sein wollen. Und sich entsprechend zu verhalten. Er hat es sich längst abgewöhnt, an Sitzungen anwesende Frauen um ”ihre Meinung aus weiblicher Sicht” zu bitten. Es kommt vor, dass er an Meetings mit weiblicher Beteiligung sagt: ”Ich mache mir jetzt einen Kaffee, will sonst noch jemand einen?” (Ein riskantes Spiel, denn er hat keine Ahnung, wie der Kaffeeautomat funktioniert.) Er hat bei der Besetzung der Personalabteilung dem internen männlichen Kandidaten Paulin eine externe weibliche Kandidatin vorgezogen (zugegeben, auch als Denkzettel für Paulin, diesen Schleimer). Und er hat den Einzug einer Frau in den Verwaltungsrat – immerhin seine vorgesetzte Instanz – ohne hörbares Murren akzeptiert.
Opfiker kann auch damit leben, dass die Business Class Lounge voller Frauen ist, die auf ihren Laptops herumhämmern und über winzige Handys die Welt mit knappen Anweisungen versorgen, die keinen Widerspruch dulden.
Nur wenn er im Flieger sitzt und neben ihm eine versucht, den Arm auf die Mittellehne zu legen, bleibt er hart.
Die Armlehne gehört immer noch Opfiker, meine Damen.
14.12.2000