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Dies ist ein rie­si­ges Ar­chiv von fast al­lem, was Mar­tin Su­ter ge­macht hat, ge­ra­de macht und noch ma­chen will. Sie ha­ben zu bei­na­he al­lem da­von un­be­schränk­ten Zu­gang. Und wenn Sie Mem­ber wer­den, zu noch et­was mehr.

Mimi la Douce

Ge­ri be­merkt den Pu­del schon vor dem Apé­ro. Er rennt kon­fus von ei­nem Pas­san­ten zum an­de­ren, schnup­pert kurz und rennt wei­ter. Ge­ri schafft es in die Schamp­Bar, be­vor das Tier auch ihn be­schnup­pert. Er kann es nicht be­son­ders mit Hunden.

An die­sem Abend läuft es ihm nicht nach Wunsch. Die Schamp­Bar hat kei­nen Mit­tel­punkt. Die Zel­le hat sich ge­spal­ten in ein Grüpp­chen um Ro­bi Mei­li und Su­si Schläf­li und ei­nes um Carl Schnell und Fred­dy Gut. Ge­ri hasst sol­che Kon­stel­la­tio­nen. Je­de Ent­schei­dung für ei­nen der bei­den Schau­plät­ze ist ei­ne ge­gen den je­weils an­de­ren. Er kann sich nicht ent­span­nen. Im­mer quält ihn der Ver­dacht, die Zell­tei­lung ha­be ei­nen Grund, den er nicht kennt und er so­li­da­ri­sie­re sich in ir­gend­ei­ner Sa­che für et­was und ge­gen je­man­den. So pen­delt er denn zwi­schen den Brenn­punk­ten hin und her und lan­det in der Re­gel zwi­schen Stuhl und Bank.

So auch an die­sem Abend. Er be­fin­det sich ge­ra­de bei der Schnell-Gut-Grup­pe, als die be­schliesst, noch kurz im Grap­pi­no rein­zu­schau­en. Il Grap­pi­no ist ei­ne neue ita­lie­ni­sche Steh­bar, über die Ge­ri von Ro­bi Mei­li kürz­lich ei­ne ab­schät­zi­ge Be­mer­kung auf­ge­schnappt hat. In so heik­len Fra­gen wie neue Lo­ka­le ver­lässt er sich im­mer noch auf den Trend­ba­ro­me­ter Mei­li. Er klinkt sich al­so aus und nimmt sich vor, so­bald die Schnell-Gut Grup­pe ge­gan­gen ist, das The­ma Grap­pi­no in der Mei­li-Schläf­li-Grup­pe auf­zu­brin­gen. Er nützt den Auf­bruch zu ei­nem kur­zen Toi­let­ten­be­such. Als er zu­rück­kommt, sind bei­de Grüpp­chen ge­gan­gen. Ins Grap­pi­no, wie er von Char­ly er­fährt. Er muss dem töd­lich be­lei­dig­ten Bar­man bis Lo­kal­schluss Ge­sell­schaft leis­ten. Dann macht er sich ver­dros­sen auf den Heimweg.

Draus­sen emp­fängt ihn ei­ne laue Mai­nacht. Kaum ist er ein paar Schrit­te durch die stil­le Gas­se ge­gan­gen, taucht der Pu­del auf, be­schnup­pert ihn und we­delt mit dem, was man von sei­nem Schwanz üb­rig­ge­las­sen hat.

„Hau ab“, zischt Ge­ri. Nicht zu laut, denn das Tier ist nur et­wa drei Zen­ti­me­ter un­ter sei­ner Angst­gren­ze. Ab dreis­sig Zen­ti­mern Hö­he fürch­tet er sich vor Hun­den. Aber der Pu­del geht nicht weg. Er tän­zelt ihm um die Bei­ne wie ein Mi­ni-Li­pi­za­ner. Und als Ge­ri das igno­riert, stellt sich das Tier auf die Hin­ter­bei­ne wie ein win­zi­ges Känguru.

Vor dem Al­ten Brau­haus ste­hen zwei Be­trun­ke­ne und ap­plau­die­ren begeistert.

Un­ter an­de­ren Um­stän­den hät­te er Mit­tel und We­ge ge­fun­den, die Af­fä­re an die­sem Punkt zu be­en­den. Aber die Nacht ist lau und Ge­ri nicht im­mun ge­gen spon­ta­ne Zu­nei­gung, selbst sei­tens ei­nes Pu­dels. So kommt es, dass er nichts da­ge­gen un­ter­nimmt, dass ihn das Tier bis vor die Haus­tür begleitet.

Dort aber wird Ge­ri kon­se­quent. Er öff­net die Tür ei­nen Spalt, schlüpft hin­ein und schliesst sie so­fort hin­ter sich. Ei­sern ent­schlos­sen, je­des Win­seln und Bel­len kalt zu ignorieren.

Aber nur das Ti­cken des Licht­au­to­ma­ten im Trep­pen­haus und der Mo­tor ei­nes spä­ten Au­tos sind zu hö­ren. Ge­ri öff­net die Tür ei­nen Spalt. Vor der Schwel­le sitzt der Pu­del und schaut ihn an. Di­rekt in die Augen

In der Kü­che ver­schlingt der Zwerg die drei­hun­dert Gramm Fleisch­kä­se, die Ge­ri für sei­ne sorg­fäl­tig ge­heim­ge­hal­te­nen An­fäl­le von po­li­tisch in­kor­rek­ten Ess­ge­lüs­ten im Kühl­schrank be­reit­hält. Er spült sie mit ei­nem hal­ben Li­ter Was­ser her­un­ter, das Ge­ri ihm mit et­was Nes­quick auf­ge­peppt hat.

Am nächs­ten Mor­gen er­wacht Ge­ri Wei­bel ne­ben ei­nem apri­cot­far­be­nen Toy-Pu­del. Er geht ins Bad, das Tier bleibt noch ein we­nig lie­gen. Erst als er sich sei­nen Kaf­fee macht, er­scheint es und be­grüsst ihn mit ei­ner Über­schweng­lich­keit, die ihn von sei­nem Vor­satz ab­bringt, auf dem Weg zur Ar­beit bei ei­nem Tier­heim vor­bei­zu­fah­ren. Statt­des­sen mel­det er sich krank.

Die fol­gen­den Ta­ge ver­lässt Ge­ri das Haus nur zum Gas­si ge­hen und ein­kau­fen. Er zer­mar­tet sich das Hirn nach ei­ner halb­wegs plau­si­blen Ent­schul­di­gung, in der Schamp­Bar mit ei­nem tän­zeln­den apri­cot Toy-Pu­del auf­zu­tau­chen. Am vier­ten Tag ge­langt er zur bit­te­ren Er­kennt­nis: es gibt keine.

Vor die Wahl ge­stellt, selbst aus­ge­stos­sen zu wer­den oder den Pu­del zu ver­stos­sen, ent­schei­det Ge­ri sich – wer wird es ihm ver­den­ken? – für Ge­ri. Nie wird er den Blick des klei­nen Ge­schöpfs ver­ges­sen, als er es an der glei­chen Stel­le, wo es ihm zu­ge­lau­fen ist, mit wüs­ten Dro­hun­gen zum Teu­fel jagt.

Als er zwei Ta­ge spä­ter wie­der in der Schamp­Bar auf­taucht, stel­len ihm Su­si Schläf­li, Fred­dy Gut, Ro­bi Mei­li und Carl Schnell das neue Mas­kott­chen der Bar vor: ei­nen apri­cot Toy-Pu­del, den sie Mi­mi la Douce nen­nen. Als Ge­ri das Tier­chen strei­cheln will, knurrt es ihn bö­se an.

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