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Dies ist ein rie­si­ges Ar­chiv von fast al­lem, was Mar­tin Su­ter ge­macht hat, ge­ra­de macht und noch ma­chen will. Sie ha­ben zu bei­na­he al­lem da­von un­be­schränk­ten Zu­gang. Und wenn Sie Mem­ber wer­den, zu noch et­was mehr.

Business Class

Steinhausers Schrecksekunden

Stein­hau­ser ist früh dran. Er hat schlecht ge­schla­fen. Um vier Uhr er­wacht und an Berg­mann ge­dacht. Wenn er si­cher sein will, nicht mehr ein­schla­fen zu kön­nen, braucht er nur an Berg­mann zu den­ken. An ir­gend­ein De­tail: Sei­nen af­fek­tier­ten Ha­ken auf dem Ver­tei­ler, sei­ne durch­schei­nen­den So­cken, sei­ne ver­schie­den­far­bi­gen Kle­be­no­ti­zen in der Agen­da, sei­ne le­der­be­zo­ge­ne Kleenex Box auf dem Bei­fah­rer­sitz sei­nes schwar­zen Au­dis. Je­der Ge­dan­ke an ir­gend­et­was, das mit Berg­mann zu tun hat, führt ihn tief in ein Ka­lei­do­skop aus Bil­dern, As­so­zia­tio­nen, Sät­zen und Epi­so­den, die sich al­le um Berg­mann drehen. 

Wenn Stein­hau­ser mit Berg­mann im Kopf er­wacht und nach ei­ner Stun­de nicht wie­der ein­ge­schla­fen ist, steht er auf. Frü­her tat er das vor­sich­tig, um Kar­la nicht zu we­cken. Aber seit sie ge­trenn­te Schlaf­zim­mer ha­ben (ei­ne Maß­nah­me, die ih­ren ur­sprüng­li­chen Zweck – die Be­le­bung des ero­ti­schen Aspekts ih­rer Be­zie­hung – nach­hal­tig ver­fehlt hat), knipst er ein­fach das Licht an.

Heu­te ist Stein­hau­ser um fünf auf den Bei­nen, um sechs aus dem Haus und vor halb sie­ben im Lift in den fünf­ten Stock, die Füh­rungs­eta­ge der CLABCO. 

Das Ge­bäu­de ist aus­ge­stor­ben, wie im­mer um die­se Zeit. Stein­hau­ser schal­tet den Ko­pie­rer und den Kaf­fee­au­to­ma­ten ein, be­tritt sein Bü­ro und öff­net die Fens­ter. Tief un­ter ihm auf dem Di­rek­ti­ons­park­platz steht ein ein­zi­ges Au­to: Sein dun­kel­blau­er BMW. Er setzt sich an den Schreib­tisch und nimmt sich den Sta­pel mit den drin­gends­ten Pen­den­zen vor. 

Ei­ne hal­be Stun­de spä­ter geht er ins Vor­zim­mer, holt zwei Je­tons aus der Schub­la­de sei­ner Se­kre­tä­rin und schlen­dert zum Au­to­ma­ten. Den ers­ten Kaf­fee schüt­tet er weg, den zwei­ten süßt er mit As­su­grin. Bis acht Uhr re­di­giert er das Pro­to­koll der Ver­kaufs­lei­ter­sit­zung. Als er es sei­ner Se­kre­tä­rin ins Vor­zim­mer brin­gen will, ist ihr Platz leer. Ko­misch, sonst ist sie an Mon­ta­gen um vier­tel vor acht am Pult.

Er holt sich noch ei­nen Kaf­fee. Im Ab­fall liegt nur der Be­cher sei­nes weg­ge­schüt­te­ten und der lee­re As­su­grin­beu­tel. Noch nie­mand au­ßer ihm hat den Au­to­ma­ten be­nützt. Er wird an der Mon­tags­sit­zung das The­ma Ar­beits­zei­ten aufbringen.

Ei­ne hal­be Stun­de spä­ter herrscht im­mer noch Stil­le im Haus. Stein­hau­ser geht ans Fens­ter. Sein BMW ist das ein­zi­ge Fahr­zeug weit und breit. 

Eis­kalt läuft es ihm den Rü­cken her­un­ter. Gibt es die CLABCO  nicht mehr? War er so ver­tieft in ihr Ma­nage­ment (und den da­mit ver­bun­de­nen Zwei­kampf mit Berg­mann) ge­we­sen, dass er nicht be­merkt hat, dass sie ge­schlos­sen wur­de? Lei­tet er die Ver­kaufs­ab­tei­lung ei­nes Phantomunternehmens? 

Mit­ten in die­ser Schreck­se­kun­de fährt Berg­manns schwar­zer Au­di auf den Park­platz und hält ge­nau ne­ben sei­nem BMW. Stein­hau­ser zieht sich vom Fens­ter zu­rück. We­nigs­tens hat auch Berg­mann den Un­ter­gang der CLABCO verpasst.

Kurz dar­auf klopft es. Berg­mann tritt ein. Im Ten­nis­dress. ”Hab nur mein Ra­cket im Bü­ro ver­ges­sen”, er­klärt er, ”lass dich nicht stö­ren. Das kenn ich von frü­her: Pen­den­zen auf­ar­bei­ten müs­sen am Pfingstmontag.”

7.6.01

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