Ein wenig alleine

Weihnachten erinnern Johann Friedrich von Allmen immer an Weihnachten. Oft an die seiner Kindheit.
Zum Beispiel an das Bild, das während weißer Weihnachten das Bauernhaus bot, in welchem er seine Kindheit verbrachte. Es besaß ein hohes steiles Dach, unter welchem der Heuboden, die Scheune und der Stall untergebracht waren. Darunter duckten sich die paar kleinen Stallfenster, aus denen zur Melkzeit schwach und gelb ein wenig Licht drang. Daneben, etwas größer, die beiden Küchenfenster mit den Halterungen für die Blumenkästen der Geranien, die in der Scheune überwinterten. Und anschließend die drei Stubenfenster. Durch das letzte sah man bis zu den Drei Königen den Christbaum leuchten und glitzern. Allmens Haus sah dann aus wie ein Adventskalender.
Traurig wurde die Sache am 7. Januar. Dann räumte das Dienst- und Kindermädchen Berta Käser, die später durch die fiktive schottische Nanny Caitlin ersetzt wurde, Kugeln, Schmuck und Tand des Bäumchens ab und trug es hinaus zum Holzstoß, wo es vom Knecht zersägt wurde. Manchmal, wenn im März im Holzofen noch gefeuert wurde, sah der kleine Hans Fritz, wie er damals noch hieß, an einem inzwischen trockenen Tannenscheit einen traurigen Silberfaden oder eine Locke Engelshaar hängen.
Später, als er vierzehn war, und ins Charterhouse, die exklusive Boarding School in Surrey, eintrat, waren Weihnachten ausgelassene Tage. Das Schmücken des riesigen Christbaums in der Chapel und das Singen der Carols fand vor Weihnachten statt, weil die Schüler über die Festtage nach Hause fuhren. Alle außer ein paar Russen, Araber und ihm, Johann Friedrich. Sie blieben im Charter House unter der Aufsicht von einigen gelangweilten Lehrern, die zu diesem Festtagsdienst verknurrt worden waren, und machten das Städtchen unsicher. Johann Friedrich hätte die Festtage zu Haus verbringen können, aber dazu hatte er keine Lust. Also band er seinem Vater den Bären auf, dass er Weihnachten und Neujahr in der Schule verbringen müsse.
In diesem Jahr verbringt Allmen Weihnachten mit Carlos und María im Gärtnerhaus. Er hat keine andere Wahl, alle Restaurants sind geschlossen.
Seit Tagen spürt er, dass heimliche Vorbereitungen im Gange sind. Es riecht nach Gebäck und Marinaden, Koriander und Zimt. Auch den Duft von frischem Tannenholz kann er identifizieren, der aus der Glashausbibliothek dringt. Sie zu betreten ist ihm für die letzten Stunden vor der Bescherung verboten. Er sitzt im übermöblierten kleinen Salon und liest wieder einmal „A Christmas Carol“ von Charles Dickens.
Er hat es sich nicht nehmen lassen, einen Smoking zu tragen. Und er wird den beiden je ein Päckchen überreichen. Mit je einer Rolex, die er sich dank eines dringenden Darlehens hatte leisten können.
Von Carlos.