Mein Vorbild Don Ricardo
Im Anschluss an den Text das Ganze auch als Bildgeschichte.
Don Ricardo ist ein gemächlicher Mann. Bevor er etwas sagt, denkt er nach. Und wenn er es dann sagt, sieht es aus, als lächle er.
Er lebt in San Andres, einer Ortschaft in den Hügeln des Hochlands von Guatemala. Von seinem Haus aus sieht er ins Tal, den Ort Panajachel und den Lago Atitlán mit seinen drei Vulkanen: Tolimán, Atitlán und San Pedro.
Am Morgen nimmt er die bunt bemalte Camioneta hinunter nach Pana, wie die Insider Panajachel nennen, und begibt sich in seine winzige Schreinerei in der Nähe der spanischen Kolonialkirche San Francisco, und macht sich an die Arbeit.
Als Erstes brauchten wir Zimmerleute für den Dachstock. Man empfahl uns Don Ricardo.
«Ach, der ist Zimmermann?», wunderten wir uns.
«Auch.»
Wir hatten mitten im Panajachel, an der Calle Santander, einen Bungalow gemietet, in welchem wir wohnen wollten, bis das Haus gebaut war. Dort trafen wir Don Ricardo zum ersten Mal. Wir setzten uns an den Tisch der Veranda, auf dem das Modell des Hauses stand, das Margrith detailgetreu und manchmal mithilfe unseres Schwagers und immer mit der auf „Repeat“ geschalteten LP „Woodface“ von „Crowded House“ gebaut hatte.
Don Ricardo trank seinen Kaffee und studierte das Modell schweigend und mit wie immer schräg geneigtem Kopf. Margrith hob das grüne Dach für ihn ab und zeigte ihm das Gebälk. Sie besprachen die Länge der Balken und was ihr die Bauingenieure in der Schweiz über deren Tragfähigkeit erklärt hatten.
Schließlich sagte Don Ricardo ein Wort, das wir nicht verstanden.:«Chichique“. Es stellte sich als die Holzsorte heraus, die er verwenden wollte.
Zwei Tage später ging ich, vorbei an den beiden schwer bewaffneten Soldaten die sie damals bewachten, auf die Bank und hob den von Don Ricardo geschätzten Betrag in einem Bündel abgenutzter Quetzal Scheine ab. Ich trug sie mit mulmigem Gefühl nach Hause. Am nächsten Tag im Morgengrauen fuhren wir mit einem klapprigen Mietwagen über die Hügel und hinunter in Richtung Pazifikküste.
Es war Zuckerrohrernte, und je mehr wir uns der Küste näherten, desto verstopfter waren die Straßen mit von Zuckerrohrstangen überladenen Sattelschleppern. Es war kurz vor Mittag, als wir die Sägerei erreichten, die Don Ricardo kannte.
Sie war klein und schäbig. Ein Mann in mittleren Jahren saß vor einer Hütte und rauchte, seine Frau nahm Wäsche von der Leine und gesellte sich zu uns, als sie sah, dass wir etwas von ihrem Mann wollten.
Don Ricardo erklärte ihm, was es war.
«Baut ihr eine Kirche?», wollte der Sägemeister wissen, als er erfuhr, welches Holz wir brauchten und wie viel davon. Das Land wurde schon damals belästigt von unzähligen Freikirchen.
«Nein», lachten wir, «nur ein schönes Haus.»
Der Mann stieg in unseren Wagen und dirigierte uns hinaus aus dem Dorf in die karge Landschaft. An einer Stelle, an der wir nichts Besonderes fanden, ließ er uns anhalten und deutete auf drei Bäume. Sie waren sehr gerade und sehr hoch und standen etwas verloren in der Gegend.
Der Sägemeister deutete auf sie und wechselt ein paar Worte mit Don Ricardo, die wir nicht verstanden.
«So sieht das Chicgique-Holz als Baum aus?», fragten wir Don Ricardo.
«Así es», antwortete er. So ist es.
Ich musste den größten Teil der schlappen Banknoten aus ihrem Versteck unter dem Wagenteppich hervor klauben und Don Ricardo aushändigen. Der überreichte sie dem Holzhändler als Anzahlung. Keine Quittung. Der Rest werde bei der Lieferung fällig.
Wann die sei, wollten wir wissen. In etwa zwei Wochen, erfuhren wir.
Die Rückfahrt dauerte weniger lang. Die Zuckerrohr-Camions fuhren nun in die Gegenrichtung.
Woher der Händler wohl unser Holz nehme, wollten wir auf der Fahrt wissen.
Wir hätten es ja gesehen, wunderte sich Don Ricardo.