Der Privatmann Element 9

Mein Vorbild Don Ricardo

Nie ha­be ich Don Ri­car­do oh­ne Base­ball Cap gesehen

Im An­schluss an den Text das Gan­ze auch als Bildgeschichte.

Don Ri­car­do ist ein ge­mäch­li­cher Mann. Be­vor er et­was sagt, denkt er nach. Und wenn er es dann sagt, sieht es aus, als läch­le er.

Er lebt in San And­res, ei­ner Ort­schaft in den Hü­geln des Hoch­lands von Gua­te­ma­la. Von sei­nem Haus aus sieht er ins Tal, den Ort Pa­na­ja­chel und den La­go Atit­lán mit sei­nen drei Vul­ka­nen: To­limán, Atit­lán und San Pedro.

Am Mor­gen nimmt er die bunt be­mal­te Ca­mio­ne­ta hin­un­ter nach Pa­na, wie die In­si­der Pa­na­ja­chel nen­nen, und be­gibt sich in sei­ne win­zi­ge Schrei­ne­rei in der Nä­he der spa­ni­schen Ko­lo­ni­al­kir­che San Fran­cis­co, und macht sich an die Arbeit.

Als Ers­tes brauch­ten wir Zim­mer­leu­te für den Dach­stock. Man emp­fahl uns Don Ricardo.

«Ach, der ist Zim­mer­mann?», wun­der­ten wir uns.

«Auch.»

Wir hat­ten mit­ten im Pa­na­ja­chel, an der Cal­le San­tan­der, ei­nen Bun­ga­low ge­mie­tet, in wel­chem wir woh­nen woll­ten, bis das Haus ge­baut war. Dort tra­fen wir Don Ri­car­do zum ers­ten Mal. Wir setz­ten uns an den Tisch der Ve­ran­da, auf dem das Mo­dell des Hau­ses stand, das Mar­grith de­tail­ge­treu und manch­mal mit­hil­fe un­se­res Schwa­gers und im­mer mit der auf „Re­peat“ ge­schal­te­ten LP „Wood­face“ von „Crow­ded House“ ge­baut hatte. 

Don Ri­car­do trank sei­nen Kaf­fee und stu­dier­te das Mo­dell schwei­gend und mit wie im­mer schräg ge­neig­tem Kopf. Mar­grith hob das grü­ne Dach für ihn ab und zeig­te ihm das Ge­bälk. Sie be­spra­chen die Län­ge der Bal­ken und was ihr die Bau­in­ge­nieu­re in der Schweiz über de­ren Trag­fä­hig­keit er­klärt hatten.

Schließ­lich sag­te Don Ri­car­do ein Wort, das wir nicht verstanden.:«Chichique“. Es stell­te sich als die Holz­sor­te her­aus, die er ver­wen­den wollte.

Zwei Ta­ge spä­ter ging ich, vor­bei an den bei­den schwer be­waff­ne­ten Sol­da­ten die sie da­mals be­wach­ten, auf die Bank und hob den von Don Ri­car­do ge­schätz­ten Be­trag in ei­nem Bün­del ab­ge­nutz­ter Quetz­al Schei­ne ab. Ich trug sie mit mul­mi­gem Ge­fühl nach Hau­se. Am nächs­ten Tag im Mor­gen­grau­en fuh­ren wir mit ei­nem klapp­ri­gen Miet­wa­gen über die Hü­gel und hin­un­ter in Rich­tung Pazifikküste.

Es war Zu­cker­rohr­ern­te, und je mehr wir uns der Küs­te nä­her­ten, des­to ver­stopf­ter wa­ren die Stra­ßen mit von Zu­cker­rohr­stan­gen über­la­de­nen Sat­tel­schlep­pern. Es war kurz vor Mit­tag, als wir die Sä­ge­rei er­reich­ten, die Don Ri­car­do kannte.

Sie war klein und schä­big. Ein Mann in mitt­le­ren Jah­ren saß vor ei­ner Hüt­te und rauch­te, sei­ne Frau nahm Wä­sche von der Lei­ne und ge­sell­te sich zu uns, als sie sah, dass wir et­was von ih­rem Mann wollten.

Don Ri­car­do er­klär­te ihm, was es war.

«Baut ihr ei­ne Kir­che?», woll­te der Sä­ge­meis­ter wis­sen, als er er­fuhr, wel­ches Holz wir brauch­ten und wie viel da­von. Das Land wur­de schon da­mals be­läs­tigt von un­zäh­li­gen Freikirchen.

«Nein», lach­ten wir, «nur ein schö­nes Haus.»

Der Mann stieg in un­se­ren Wa­gen und di­ri­gier­te uns hin­aus aus dem Dorf in die kar­ge Land­schaft. An ei­ner Stel­le, an der wir nichts Be­son­de­res fan­den, ließ er uns an­hal­ten und deu­te­te auf drei Bäu­me. Sie wa­ren sehr ge­ra­de und sehr hoch und stan­den et­was ver­lo­ren in der Gegend.

Der Sä­ge­meis­ter deu­te­te auf sie und wech­selt ein paar Wor­te mit Don Ri­car­do, die wir nicht verstanden.

«So sieht das Chic­gi­que-Holz als Baum aus?», frag­ten wir Don Ricardo.

«Así es», ant­wor­te­te er. So ist es.

Ich muss­te den größ­ten Teil der schlap­pen Bank­no­ten aus ih­rem Ver­steck un­ter dem Wa­gen­tep­pich her­vor klau­ben und Don Ri­car­do aus­hän­di­gen. Der über­reich­te sie dem Holz­händ­ler als An­zah­lung. Kei­ne Quit­tung. Der Rest wer­de bei der Lie­fe­rung fällig.

Wann die sei, woll­ten wir wis­sen. In et­wa zwei Wo­chen, er­fuh­ren wir.

Die Rück­fahrt dau­er­te we­ni­ger lang. Die Zu­cker­rohr-Ca­mi­ons fuh­ren nun in die Gegenrichtung.

Wo­her der Händ­ler wohl un­ser Holz neh­me, woll­ten wir auf der Fahrt wissen.

Wir hät­ten es ja ge­se­hen, wun­der­te sich Don Ricardo. 

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