Felbers werden integriert
Hanna Josi soll sich ein wenig um Gerda Felber kümmern. Das gehört zum Integrationsprogramm der Firma für neue leitende Mitarbeiter. Wenn sich die Frau wohlfühlt, arbeitet sich der Mann leichter ein.
„Wie sieht sie aus?“ fragt Hanna, als Josi sie um den Gefallen bittet.
„Am besten, du holst sie zu Hause ab. So könnt ihr euch nicht verfehlen.“
„Ich meine: Müssen wir in den Zoo oder kann man mit ihr unter die Leute?“ Josi nimmt sich vor, Hanna in Zukunft von Integrationsaufgaben ein wenig zu entlasten.
„Sag denen, ich könne mich selbst um mich kümmern“, sagt Gerda Felber, als ihr Mann ihr eröffnet, dass sie von Hanna Josi zu einem kleinen Stadtbummel abgeholt werde.
Aber beide Frauen haben gelernt, sich der Karriere-Räson ihrer Männer unterzuordnen. Als Hanna Josi am nächsten Nachmittag mit strahlendem Lächeln bei Gerda Felber klingelt, öffnet ihr diese, als hätte sie sich seit Wochen auf den Stadtbummel mit ihr gefreut.
Frau Josi zeigt Frau Felber den besten Käseladen, den besten Bäcker, das beste Comestible-Geschäft, den besten Küchenladen und die Straße mit den besten Boutiquen.
In der besten Bar mit den besten Cüplis unterhalten sie sich anschließend über ihre Männer. Irgendwie gehen ihnen dabei die Superlative aus.
Als Hanna die Rechnung bestellt, bringt der Barmann noch zwei Cüplis. Vom Herrn vis-a-vis.
Hanna will die Gläser zurückschicken, aber Gerda prostet dem Herrn vis-a-vis zu. So hebt auch sie das Glas und beteiligt sich höflichkeitshalber am kurzen Gespräch mit dem Spender.
Als Josi nach Hause kommt, ist Hanna schon im Bett. „Wie war es mit Felbers Frau?“, fragt er, bevor er ins Bad geht.
„Schrecklich“, murmelt sie, damit er ihr Opfer nicht zu gering einschätzt.
„Unsere Frauen scheinen sich ja gut zu verstehen“, bemerkt am nächsten Tag am Rande einer Sitzung Josi zu Felber.
„Warum triffst du dich nicht öfter mit Josis Frau“, sagt der am Abend zu Gerda. „Sie sei scheints begeistert von dir.“
Bereits zwei Tage später verabreden sich Hanna und Gerda fürs Kino. Sie treffen sich zum Apéro in der besten Bar mit den besten Cüplis. Der Herr vis-a-vis ist auch wieder dort. Auf der Damentoilette fragt Gerda, ob es Hanna etwas ausmachen würde, allein ins Kino zu gehen. Als Hanna nickt, fügt Gerda hinzu. „Falls jemand fragt: Wir waren zusammen.“
Aus Gründen der Glaubwürdigkeit besucht Hanna nach dem Kino noch ein Lokal zu einem Schlummertrunk. Als sie die Rechnung bestellt, teilt ihr der Kellner mit, sie sei schon bezahlt. Ein Herr, auch vis-a-vis. Hanna nickt ihm zu und wechselt höflichkeitshalber ein paar Worte mit ihm.
So entwickelt sich eine enge Beziehung zwischen Hanna und Gerda. Sie verabreden sich oft und treffen sich nie.
Felber geht in seinem Job auf. Und Josi gratuliert sich zu seinem Integrationstalent.
1.6.2000