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Dies ist ein rie­si­ges Ar­chiv von fast al­lem, was Mar­tin Su­ter ge­macht hat, ge­ra­de macht und noch ma­chen will. Sie ha­ben zu bei­na­he al­lem da­von un­be­schränk­ten Zu­gang. Und wenn Sie Mem­ber wer­den, zu noch et­was mehr.

Die alten Tage des Grand

Das Grand hat schon bes­se­re Ta­ge ge­se­hen. Es war zwar nie das ers­te Haus am Platz, aber den zwei­ten Rang hat­te ihm jah­re­lang nie­mand strei­tig gemacht. 

Wie ein Mär­chen­schloss lag es in sei­nem ver­zau­ber­ten Park vol­ler geiss­blatt­um­rank­ter Pa­vil­lons, und sei­ne Türm­chen wa­ren wie aus Zu­cker­guss. Die Pa­gen tru­gen ei­nen ro­ten Fes mit gol­de­ner Quas­te, und die Bell­boys sa­hen aus wie kö­nig­li­che Gar­dis­ten. Die Gäs­te wohn­ten in der ers­ten und zwei­ten Eta­ge, die obe­ren Stock­wer­ke dien­ten der En­tou­ra­ge, im Fünf­ten und in den Dach­ge­schos­sen war das Per­so­nal un­ter­ge­bracht. Auf je­den Gast ka­men zwei Angestellte.

Fast je­den Tag fan­den in den ro­ten, blau­en, gel­ben und grü­nen Sa­lons Emp­fän­ge statt, und an den meis­ten Wo­chen­en­den pri­va­te Ban­ket­te im Pal­men­saal mit bis zu zwölf Gän­gen. Im Mai und im Ju­ni ver­ging kein Sonn­tag oh­ne Hoch­zeit im Ball­saal. Es kam vor, dass Hoch­zei­ten um ein Jahr ver­scho­ben wur­den, nur weil im Grand kein Mai­ter­min mehr frei war.

Das Grand über­stand den ers­ten Welt­krieg mit Ele­ganz und den zwei­ten mit An­stand. Aber in den sech­zi­ger Jah­ren ging ihm lang­sam der Schnauf aus. Es ver­kauf­te da und dort ein Eck­chen sei­nes Parks und ver­such­te die gel­ben Wohn­blö­cke zu über­se­hen, die dar­auf ent­stan­den. Aber das Geld reich­te nicht, um zu ver­hin­dern, dass das Haus rasch das drit­te, vier­te, fünf­te am Platz wurde.

In den sieb­zi­ger Jah­ren über­nahm der En­kel des Grün­ders das Haus. Er nahm ei­ne drit­te Hy­po­thek auf und ver­kauf­te den Park bis auf ei­nen Strei­fen von dreis­sig Me­tern vor der gros­sen Ter­ras­se. Mit dem Geld liess er auch in den Zim­mern der drit­ten, vier­ten und fünf­ten Eta­ge Bä­der ein­bau­en, zog in die ho­hen Räu­me nied­ri­ge Kunst­stoff­de­cken ein, liess über­all Alu­mi­ni­um­fens­ter an­brin­gen und vor al­le Ein­gän­ge mo­der­ne Wind­fän­ge mit oran­gen Leucht­schrif­ten, for­mal dem Ju­gend­stil des Hau­ses nach­emp­fun­den, aber modern.

Heu­te wird man in der gros­sen Lob­by mit Win­ter­gar­ten zum am­pu­tier­ten Park von ei­ner Ta­fel aus grü­nem Ve­lours emp­fan­gen. Dar­auf steht in gel­ben Steck­buch­sta­ben ”In­tro­com, gel­ber Sa­lon” und ”In­ter­na­tio­nal Con­cre­te, ro­ter Sa­lon” und ”Prä­sen­ta­ti­on Elec­tro­bio, Pal­men­saal” und ”Se­mi­nar Con­sul­tag, Ballsaal”.

Da­hin­ter rei­hen sich lan­ge Ti­sche mit Ge­schirr, Ther­mos­krü­gen, auf­ge­schnit­te­nen Ku­chen, Mi­ne­ral­was­sern mit und oh­ne Koh­len­säu­re, Ka­raf­fen mit Oran­gen- und Grape­fruit­saft und ei­nem Schild mit den Auf­schrif­ten: In­tro­com, Om­nag, In­ter­na­tio­nal Con­cret, Elec­tro­bio und Consultag.

Män­ner mit an­ge­spann­ten Ge­sich­tern und ih­re ner­vö­sen As­sis­ten­tin­nen tra­gen Pro­jek­ti­ons­wän­de, Bea­mer, Flip­charts und Kar­ton­schach­teln vol­ler Ex­po­sés durch die Gänge. 

Ge­samt­ver­ant­wort­li­che in­spi­zie­ren ken­ner­haft die Pau­sen­buf­fets und tau­schen schon ein­mal ver­stoh­len In­ter­na­tio­nal Con­cret mit In­tro­com aus, weil der Tisch schö­ner liegt. 

In Zim­mern, in de­nen einst Eta­gen­kell­ner die Gäs­te be­grüss­ten, ste­hen jetzt Fern­se­her mit der In­schrift ”Wel­co­me Mr. Hüni”. 

Und spät in den Hoch­zeits­sui­ten se­hen Ma­nage­ment Con­sul­tants Er­wach­se­nen­fil­me und hof­fen, die Film­ti­tel tau­chen nicht auf der Ho­tel­rech­nung auf.

16.11.2000

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