Bützer und Toronto

Im drit­ten Wer­be­block be­merkt Büt­zer bei­läu­fig: „Sie su­chen je­man­den für Ka­na­da“. Mé­la­nie und er se­hen sich ei­nen B‑Movie an, die Kin­der sind schon lan­ge im Bett.

Mé­la­nie horcht auf. „Hät­test Du da Chan­cen?“ Sie sitzt mit un­ter­ge­schla­ge­nen Bei­nen auf dem So­fa und trägt nur ein T‑Shirt, aber XXL.

„Klar, wenn ich woll­te“, sagt Rolf Büt­zer, et­was pikiert.

„Und das sagst Du mir so nebenbei?“

„Ich fand es nicht so wichtig.“

„Die Mög­lich­keit nach Ka­na­da aus­zu­wan­dern, fan­dest Du nicht so wichtig?“

„Ja möch­test Du das denn?“

Mé­la­nie schwingt die Fü­ße auf den Tep­pich. „Du et­wa nicht?“

Büt­zer zuckt die Schul­tern. „Ich weiß nicht, Kanada.“

Der Wer­be­block ist zu En­de, der Film geht wei­ter. Ei­ne Frau wird von ei­nem obs­zö­nen An­ru­fer be­läs­tigt. Büt­zer tippt auf den Ehe­mann. Er wen­det sich wie­der dem Bild­schirm zu.

„Ka­na­da klingt doch wun­der­bar. Seen, Wäl­der, Groß­städ­te. Wo in Kanada?“ 

Die Frau im Film be­kommt wie­der ei­nen An­ruf. Im sel­ben Mo­ment kommt der Ehe­mann nach Hau­se. „Ich hät­te schwö­ren kön­nen .…“, sagt Büt­zer. Dann ist das Bild weg. 

„He!“

„Wo in Ka­na­da?“ Mé­la­nie legt die Fern­be­die­nung aufs Club­tisch­chen und setzt sich auf die So­fa­leh­ne. Büt­zer reißt sich vom Bild­schirm los.

„To­ron­to.“

„To­ron­to! Und die wür­den Dich nehmen?“

„Lang hat ge­sagt ‘Wär das nichts für Sie, Bützer?’ “

„Und was hast Du geantwortet?“

„Der Zeit­punkt sei ungünstig.“

„Wie­so ungünstig?“

„Kin­der in der Schu­le, das Haus frisch um­ge­baut, etc.“

„In To­ron­to gibt es auch Schu­len und Häuser “

„Und Dein Beziehungsnetz.“

„Mein Be­zie­hungs­netz?“

„Die Ki­wa­ni-Frau­en, das Shi­atsu, Li­li und Beth­li, Thai-Kochkurs.“

„Das mach ich doch nur, da­mit ich mich nicht ganz zu To­de langweile.“

„An­de­re Frau­en wür­den sich um ein sol­ches Le­ben reißen.“

„An­de­re Män­ner wür­den sich um To­ron­to reißen.“

„Was an­de­re Män­ner tun, in­ter­es­siert mich nicht.“

„Dich viel­leicht nicht.“

„Dich schon?“

„Wenn ich noch lan­ge in Schwa­men­din­gen her­um­ho­cken muss, schon.“

Büt­zer geht in die Kü­che und kommt mit ei­nem Fläsch­chen Bier zurück.

„Ge­nau“, zischt Mé­la­nie, „ein Bier und ei­nen Fern­se­her und auf die Pen­sio­nie­rung warten.“

„Habt ihr Streit?“ In der Wohn­zim­mer­tür steht ver­schla­fen To­mi, 9. 

„Ma­mi will nach Toronto.“

„Wo ist das?“

„In Ka­na­da.“

„Wo ist Kanada?“

„In Ame­ri­ka.“

„Und wir?“

Am nächs­ten Tag bit­tet Bütz­ger drin­gend um ei­nen Ter­min bei Lang.

„Und was sagt die Fa­mi­lie zu ih­rem plötz­li­chen Mei­nungs­um­schwung?“, wun­dert der sich.

Mit ei­nem schma­len Lä­cheln ant­wor­tet Büt­zer: „Es gibt Ent­schei­dun­gen im Le­ben, die muss ein Mann al­lei­ne treffen.“

Nur ein­mal ver­öf­fent­licht am 12.6.97


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