Unter Nichtrauchern

”Widlin ist übrigens Nichtraucher”, fügt Marco Eibler zum Schluss noch an. Es hätte beiläufig klingen sollen, eine Randnotiz am Ende der Routinebesprechung einer Einladung. Aber Lisa blickt misstrauisch auf. „Dann bekommt er keinen Aschenbecher.“
Eibler seufzt unhörbar. Er hätte wissen müssen, dass sie es ihm nicht leicht machen würde. ”Ich meine, militant.”
”Auch das noch”, stöhnt Lisa. ”Das heißt wohl, keine Zigarette zwischen den Gängen.”
”Das heißt: keine Zigaretten.”
”Im Esszimmer.”
”Im Haus.”
Lisa lässt ihr helles, unbeschwertes Lachen erklingen, das sie sich für besonders gute Witze aufspart.
”Im Ernst. Widlin ist the coming man.“
”Ich dachte, der seist du.”
”Das hängt nicht zuletzt davon ab, was Widlin von mir hält.”
”Und er hält mehr von dir, wenn ich nicht rauche. Alles klar.“ Lisa steckt sich eine Zigarette an und nimmt einen tiefen Lungenzug.
”Einen Abend wirst du es wohl aushalten. Ich will einfach kein Risiko eingehen. Ist das zu viel verlangt?“
”Und die anderen, Maiwalds und Straubühlers?“
”Alles Nichtraucher.”
Am Freitag kommt Marco Eibler kurz nach vier nach Hause. Lisa ist mit Frau Knesevic in der Küche zugange. Der Tisch ist bereits gedeckt. Weißer Damast, Schneeglöckchen, grüne Servietten auf den Platztellern – keine Aschenbecher. Eibler öffnet die Fenster.
Im Wohnzimmer sind Gläseruntersätze und Schalen mit Apérosnacks verteilt. Ebenfalls keine Aschenbecher. Eibler öffnet auch hier die Fenster. Er setzt sich ins Sofa und beschnuppert die Kissen.
”Was ist mit Dir, Marco?” fragt Lisa besorgt. Sie ist mit einer Schale Mandeln ins Wohnzimmer gekommen und glaubt, ihr Mann schluchze ins Sofakissen.
”Rauch”, stellt Eibler fest, ”ein Nichtraucher riecht das sofort.”
”Und ich dachte schon, du hast einen Nervenzusammenbruch”, sagt Lisa und schließt die Fenster.
”Nicht!”, ruft Eibler. ”Lass offen, bis die Gäste kommen.”
”Die kommen in drei Stunden, willst du, dass sie erfrieren?“
Sobald Lisa wieder in der Küche ist, sammelt Eibler sämtliche Aschenbecher, Feuerzeuge und Zigaretten ein und sperrt sie in den Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer. Dann holt er den Raumspray aus der Toilette und nebelt das Haus ein. Zum Schluss schleicht er sich durch die Haustür und klebt einen diskreten Kleber unter den Türspion. ”No Smoking, please.”
Der Abend verläuft etwas steif. Während Eibler noch beim Kaffee im Wohnzimmer versucht, das Eis zu brechen, stiehlt sich Lisa in den Garten und zündet sich eine an. Kurz darauf kommen zwei Gestalten aus dem Haus. Lisa drückt sich ins Gebüsch.
Es sind Wildlins. Sie steckt sich hastig eine Zigarette an und nimmt einen gierigen Zug. „Wenn ich etwas hasse“, stößt sie aus, „sind es militante Nichtraucher, bei denen es nach WC-Spray stinkt.“
18.1.01