Geri und Knuffel

Le­sen Sie hier die ers­te Fol­ge des Ge­ri-Wei­bel-Wett­be­werbs, bei dem man Mar­tin Su­ter The­men vor­schla­gen durfte. 

Das The­ma «Hund» stammt von No Na­me. Bit­te mel­den Sie sich.

Um das lau­war­me Su­per­markt-Gu­te­nacht­bier mit Hans­pe­ter zu um­ge­hen, hat Ge­ri be­gon­nen, ei­ne Bier­all­er­gie vor­zu­täu­schen. Es wer­de ihm ei­ne Art – nicht ge­ra­de schlecht, aber, wie soll er es nen­nen? Mul­mig? Ja: Es be­fal­le ihn ei­ne ge­wis­se Bier­mul­mig­keit. Am ex­trems­ten bei lau­war­mem, je­doch auch bei eis­kal­tem. Bei sol­chem sei es ei­ne re­tro­spek­ti­ve Bier­mul­mig­keit, fast noch un­an­ge­neh­mer als die aku­te. Des­we­gen ha­be er be­gon­nen, das Gu­te­nacht­bier durch et­was Kur­zes zu er­set­zen, zum Bei­spiel ei­nem Fin­ger­breit Chivas. 

Die­se Um­stel­lung bringt den Zu­satz­vor­teil, dass sie we­ni­ger Zeit be­an­sprucht und er sich frü­her zu­rück­zie­hen kann. Hans­pe­ter wird näm­lich sehr ge­sprä­chig zur Schlafenszeit.

Ge­ri hat al­ler­dings fest­ge­stellt, dass dem Chi­vas die an­ge­nehm ein­schlä­fern­de Wir­kung des Gu­te­nacht­bier­chens – auch des lau­war­men – ab­geht. Chi­vas weckt eher. Des­halb trinkt Ge­ri zu den sel­te­nen Ge­le­gen­hei­ten, an de­nen er vor Hans­pe­ter zu Hau­se ist, in al­ler Ru­he und oh­ne Hea­vy-Me­tal-Be­glei­tung ein küh­les Markenbier. 

Ei­nen klei­nen Nach­teil muss er da­bei in Kauf neh­men: Er schläft zwar bes­ser ein, aber nicht so gut durch. In Gu­te­nacht­bier­näch­ten muss er meis­tens so zwi­schen drei und vier Uhr die Toi­let­te aufsuchen.

So auch in die­ser Nacht.

Er tas­tet sich im Halb­schlaf zum Klo. 

Ein un­ter­drück­tes Knur­ren ertönt. 

Ge­ri erstarrt.

Knur­ren?

Knur­ren in sei­ner, al­so ih­rer Miniloft?

Er rührt sich nicht.

Al­les still.

Hat er sich ge­täuscht? Hat er ge­träumt? Schlaf­wan­delt er? 

Ge­ri lässt ge­fühl­te zehn Mi­nu­ten ver­strei­chen, bis er sich wie­der be­wegt. Er hebt be­hut­sam den rech­ten Fuß. Die Mehr­be­las­tung des lin­ken lässt des­sen Ge­lenk lei­se knacken.

«Grrrr.» 

Ge­ri bleibt auf ei­nem Bein ste­hen. Kämpft mit dem Gleich­ge­wicht. Ver­liert es und fällt ge­räusch­voll in die beid­fü­ßi­ge Po­si­ti­on zurück.

Aus dem Knur­ren wird ein ho­hes, hei­se­res Kläffen.

Ge­ri schnellt hun­dert­acht­zig Grad um die ei­ge­ne Ach­se, ist mit drei Sprün­gen im Bett und zieht die De­cke über den Kopf.

Das Ge­kläf­fe klingt jetzt ge­dämpft, aber des­sen Ka­denz er­höht sich. Stei­gert sich in et­was Ra­sen­des, sich Überschlagendes. 

Das Tier kann nicht al­lei­ne in die Loft ge­kom­men sein. Es muss et­was mit Hans­pe­ter zu tun ha­ben. Und der wird be­stimmt je­den Mo­ment er­wa­chen und für Ru­he sor­gen. Trotz sei­nem sprich­wört­lich tie­fen Schlaf.

Pau­se.

Trotz sei­nem sprich­wört­lich tie­fen Scheiß-Schlaf!

Das Ge­kläf­fe stei­gert sich au­gen­blick­lich zu ei­nem ra­sen­den Bellen. 

Die Bes­tie lässt sich al­so pro­vo­zie­ren. Viel­leicht kann Ge­ri sie ver­bal der­ma­ßen zur Weiß­glut trei­ben, dass Hans­pe­ter wach wird.

Ge­ri streckt den Kopf kurz un­ter der Bett­de­cke her­vor und brüllt: „Ru­he, Drecksköter!“

Der Hund dreht jetzt durch. Je­doch kei­ne Re­ak­ti­on von Ge­ris Mitbewohner.

Hans­pe­ter!“

Nichts.

„HANSPETER!!!“

Ge­ri än­dert die Tak­tik auf „Stil­le“.

Bel­len sich Hun­de nicht mit der Zeit in die Er­schöp­fung? Oder in die Rat­lo­sig­keit? Wenn sie auf ihr To­ben kei­ne Re­ak­ti­on er­hal­ten und das Ob­jekt ih­res Has­ses nicht se­hen, be­schlei­chen sie dann nicht Zwei­fel, ob es noch an­we­send ist? Fan­gen sie nicht an zu glau­ben, es ver­trie­ben zu haben?

Ge­ri ist kurz da­vor, wie­der auf die Pro­vo­ka­ti­ons­schie­ne zu wech­seln, als das Ge­kläf­fe tat­säch­lich verstummt.

Ein kur­zes dro­hen­des Knur­ren noch. Ein knap­pes, fra­gen­des Auf­bel­len. Dann glaubt er, ein bei­na­he er­leich­ter­tes Auf­seuf­zen zu ver­neh­men und da­nach nur noch das gleich­mä­ßi­ge Sich-in-den-Schlaf-At­men der Erschöpften.

Doch jetzt be­ginnt ein an­de­rer Kampf: Der des drin­gen­den Be­dürf­nis­ses mit der Angst. 

„Al­les in al­lem“, sagt das Be­dürf­nis, „klingt es nach ei­nem eher klei­nen Hund.“

„Schon“, er­wi­dert die Angst, „aber das ist wie bei uns Men­schen: Es gibt Rie­sen mit Fistelstimmen.“

„Aber die sind sel­ten“, gibt das Be­dürf­nis zu be­den­ken. „Dass die­ses Ex­em­plar groß ist, hal­te ich für höchst unwahrscheinlich.“

„Klei­ne Hun­de sind oft schär­fer als gro­ße“, wen­det die Angst ein. „Mit spit­ze­ren Zähnen.“

„Egal. Ich muss“, be­stimmt nun das Bedürfnis.

Ge­ri wählt den Kom­pro­miss „Spül­be­cken“ und schleicht zum Koch­be­reich, der in ei­ni­ger­ma­ßen si­che­rer Di­stanz zum Be­reich liegt, aus dem das Bel­len drang.

Wäh­rend er sein Ge­schäft ver­rich­tet, hört er zwei­mal ein kur­zes ver­schla­fe­nes Knur­ren. Doch er schafft es heil zu­rück ins Bett.

Im Mor­gen­grau­en ist das Tier weg.

Im Lounge-Be­reich liegt noch ein Frot­tier­tuch am Bo­den, ein wei­ßes von Ge­ri na­tür­lich, über­sät mit brau­nen Haa­ren, und da­ne­ben die Fon­due­pfan­ne mit Was­ser und aus Ge­ris Aschen­be­cher­samm­lung der mit der Auf­schrift „Ho­tel In­ter­na­tio­nal“, schön saubergeleckt.

Auf dem Club­tisch zwi­schen den Pols­ter­ses­seln liegt ein Zet­tel mit Hans­pe­ters un­be­hol­fe­ner Handschrift. 

Hal­lo. Das ist Knuf­fel. Er ge­hört ei­ner Freun­din. Sie ist in Ba­li, und ich pas­se so lan­ge auf ihn auf. Er frisst zwei­mal am Tag ei­ne hal­be Do­se des Fut­ters im Kühl­schrank und muss drei­mal Gas­si am Tag. Hun­de­beu­tel sind im WC.

Hans­pe­ter!“

Nichts. 

„HANS-PE-TER!!!“

Das Bett des Mit­be­woh­ners ist zer­wühlt wie im­mer aber leer wie nie um die­se Zeit. Wü­tend be­ginnt Ge­ri, die Mi­ni­loft zu durch­su­chen. Kein Hans­pe­ter. Aber zum Glück auch kein Knuffel.

Er­leich­tert geht er zu­rück ins Bett.

Als er die Bett­de­cke zu­rück­schlägt – Cliffhanger.

Fort­set­zung folgt.

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