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Dies ist ein rie­si­ges Ar­chiv von fast al­lem, was Mar­tin Su­ter ge­macht hat, ge­ra­de macht und noch ma­chen will. Sie ha­ben zu bei­na­he al­lem da­von un­be­schränk­ten Zu­gang. Und wenn Sie Mem­ber wer­den, zu noch et­was mehr.

Geri und das geistige Eigentum

Aus der As­ser­va­ten­kam­mer: Das zwei Jah­re al­te be­las­ten­de Indiz

Ent­spannt sitzt Ge­ri im Wohn­be­reich der Mi­ni-Loft vor ei­nem eis­kal­ten Sher­ry, sei­nem Lieb­lings-Ein­stim­mungs­ge­tränk. Es lo­ckert dis­kret und ele­gant die Zun­ge. Wie et­was Ho­möo­pa­thi­sches, ei­ne Art Not­fall­trop­fen für Nichtabstinente.

Er ist fer­tig ge­stylt, so­gar zwei­mal, wie so oft. Des­we­gen be­ginnt er ja im­mer früh mit dem Sty­ling, da­mit ihm ge­nug Zeit bleibt für das Um­sty­ling. Ge­ri sagt im­mer: Der Mensch darf Feh­ler ma­chen, er muss nur dar­auf ach­ten, dass er ge­nug Zeit hat, sie zu korrigieren.

Und Zeit braucht es. Sty­ling-Feh­ler sind ja sel­ten klar de­fi­niert. Meis­tens ist es rei­ne Ge­fühls­sa­che, ob ein V- oder ein O‑Ausschnitt zum T‑Shirt falsch oder rich­tig ist. Im­mer wie­der be­fin­det er sich in der Si­tua­ti­on, dass er sich im V ir­gend­wie nicht wohl­fühlt, zum O wech­selt, sich auch dar­in nicht wohl­fühlt, zum Hemd wech­selt, sich auch dar­in ir­gend­wie da­ne­ben fühlt, sich auf V zu­rück­stylt, sich wohl­fühlt, das Haus ver­lässt, kurz vor Er­rei­chen des Ziels – meis­tens ist es das Num­ber­less – wie­der nicht wohl­fühlt, zu­rück­geht, sich um­stylt und – trotz­dem nicht zu spät kommt. Time Ma­nage­ment, eben.

Wie Ge­ri so ent­spannt an sei­nem Sher­ry nippt, tram­pelt plötz­lich sein Mit­be­woh­ner Hans­pe­ter her­ein und KNALLT et­was so hef­tig auf das Club­tisch­chen, dass Ge­ri er­schrickt und et­was von sei­nem Ein­stim­mungs­drink verschüttet.

«Da!», ju­belt Hanspeter. 

«Was ist das?»

«Der Suchi

Der Suchi ist Hans­pe­ters ge­nia­les Pro­jekt, er hat Ge­ri vor ge­rau­mer Zeit über­re­det, ein Start­up da­für zu grün­den. Für des­sen Fi­nan­zie­rung hat­te Ge­ri sei­ne El­tern da­mals da­von über­zeugt, sich mit ei­nem Erb­vor­be­zug von 50’000 am Pro­jekt zu beteiligen.

Es ist ein elek­tro­ni­scher Sti­cker, den man an sei­ne Bril­le, sei­nen Geld­beu­tel, sei­nen Per­so­nal­aus­weis und so wei­ter klebt, da­mit man den Ge­gen­stand mit dem Han­dy su­chen kann, wenn man ihn ver­legt hat.

Das Pro­jekt ist et­was in den Hin­ter­grund ge­rückt, weil es je­des Mal zu ei­ner ge­wis­sen Miss­stim­mung kommt, wenn Ge­ri sich nach des­sen Ent­wick­lungs­stand erkundigt.

Hans­pe­ter geht zum Kühl­schrank und kommt mit ei­nem Glas Sher­ry zu­rück, des­sen Grö­ße dem Ein­stim­mungs­drink die gan­ze Ele­ganz raubt. Er nimmt ei­nen ge­wal­ti­gen Schluck, an­gelt sich den Fly­er, den er auf den Tisch ge­knallt hat, und fuch­telt da­mit her­um: «Ap­ple hat uns die Suchi-Idee ge­klaut!»

Ge­ri stu­diert das Dokument.

«Sie nen­nen das Ding Air­Tag, aber im Prin­zip ist es das Glei­che. Man be­fes­tig­te es an Ge­gen­stän­den und kann die­se dann mit dem iPho­ne suchen.»

«Und wo­her soll­te Ap­ple die Idee haben?»

«Im Mai 2019 hat der Su­ter dar­über ge­schrie­ben. Zwei Jah­re rei­chen lo­cker für die Ent­wick­lung des Projekts.»

«Uns ha­ben sie nicht ge­reicht», wagt Ge­ri zu bemerken.

«Un­se­res ist ja auch NANO! Das kannst Du so an den Bril­len­bü­gel kle­ben, dass man es nicht sieht. Das ist tech­no­lo­gisch un­ver­gleich­lich viel anspruchsvoller!»

«Prost!» Hans­pe­ter stößt mit sei­nem Rie­sen­glas mit Ge­ris zier­li­chem an.

«Und war­um freust du dich so darüber?»

«War­um? Wir sind reich!»

Hans­pe­ter geht zum Kühl­schrank, holt den Sher­ry und schenkt nach.

«Reich?», wun­dert sich Ge­ri. «Wie­so?»

Hans­pe­ter wird fei­er­lich. «Wir wer­den Ap­ple ver­kla­gen. Geis­ti­ges Ei­gen­tum. Da ken­nen die Amis nichts.»

«Wir zwei ge­gen Apple?»

«Da­vid ge­gen Go­li­ath. Da ste­hen die Amis drauf.»

«Du willst in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten ge­gen Ap­ple kla­gen? Ge­gen die zweit­wert­volls­te Mar­ke der Welt?»

Hans­pe­ter winkt lä­chelnd ab. «Kei­ne Angst. Wir wer­den uns au­ßer­ge­richt­lich einigen.»

Ge­ri kippt ner­vös sei­nen Sher­ry run­ter. «Und wie willst du die Kla­ge be­zah­len, wenn ich fra­gen darf?»

Hans­pe­ter grinst tri­um­phie­rend. «Ap­ple wird sie bezahlen.»

Ge­ri ver­sucht, es iro­nisch klin­gen zu las­sen: «Ach so.»

«Wir en­ga­gie­ren den schärfs­ten Hund von Geis­ti­gem-Ei­gen­tums-An­walt und bie­ten ihm fif­ty-fif­ty an. Bei zwan­zig Mil­lio­nen blei­ben im­mer noch zehn für uns.»

«Zwan­zig Millionen?»

«Das sind Pea­nuts für Ap­ple. Vor al­lem, um sich los­zu­kau­fen vom Be­weis, dass sie skru­pel­los ei­ne Pro­dukt­idee ge­stoh­len haben.»

«Be­weis?»

«Die Idee wur­de nach­weis­lich im Mai/Juni 2019 auf der co­py­right­ge­schütz­ten Web­site martin-suter.com ver­öf­fent­licht, bei­na­he zwei Jah­re vor App­les Lan­cie­rung von AirTag.»

Viel­leicht ist es Hans­pe­ters Über­zeu­gungs­kraft, viel­leicht die hüb­sche Sum­me, viel­leicht die Wir­kung der Ein­stim­mungs­drinks oder viel­leicht die Kom­bi­na­ti­on von all dem, je­den­falls ge­wöhnt sich Ge­ri im Lau­fe des Ge­sprächs an die Idee und er­tappt sich da­bei, wie sei­ne Ge­dan­ken zu mög­li­chen Ver­wen­dungs­zwe­cken der Ab­fin­dung abschweifen.

Als sie sich auf den Weg zum Num­ber­less ma­chen, sagt Ge­ri vor­sichts­hal­ber: «Kein Wort da­von zu den an­dern, okay?»

Hans­pe­ter gibt kei­ne Antwort.

«Okay?», wie­der­holt Geri.

«Okay was?», fragt Hans­pe­ter. Er hat den Ge­sichts­aus­druck, den Ge­ri von an­de­ren Ge­le­gen­hei­ten her kennt. Nur fällt ihm mo­men­tan nicht ein, von welchen.

Es wird ihm erst klar, als sie das Num­ber­less be­tre­ten und Fred­dy Gut sagt: «Ich neh­me an, heu­te geht al­les auf euch.» 

Und von Ro­bi Mei­lis Bril­len­bü­gel et­was Run­des mit ei­nem an­ge­bis­se­nen Ap­fel baumelt.

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