Wie Allmen sich das Rauchen abgewöhnte
Als Johann Friedrich von Allmen vor neun Jahren das erste Mal an die Öffentlichkeit trat, war er dabei, sich das Rauchen abzugewöhnen. Er saß im Viennois, seinem Stammcafé, und wurde von Martin Suter so beschrieben:
„Einer von ihnen las ein Buch. Ein englisches Paperback, dessen Rücken er gebrochen hatte, damit er es einhändig lesen konnte wie einen Kioskroman und die andere Hand frei hatte für sein spätes Frühstück und die kalte Zigarettenspitze, mit der er sich seit Jahren das Rauchen abgewöhnte.“ (Aus „Allmen und die Libellen“, 2010.)
Allmen schien es geschafft zu haben. Bereits in der ersten Fortsetzung seiner Abenteuer, „Allmen und der rosa Diamant“, war er Nichtraucher. Und auch in den vier weiteren, die folgten, rührte er das Zeug nicht mehr an.
Wie hatte er das geschafft?
Durch die Vermeidung des Definitiven.
Johann Friedrich von Allmen scheut das Endgültige. „Immer“ und „nie“ sind Wörter, die er aus seinem Wortschatz so gut wie verbannt hat.
Die Möglichkeit, dass er für „immer“ im Gärtnerhaus der Villa Schwarzacker leben und „nie“ mehr als Besitzer in die Villa zurückkehren würde, ist für ihn unvorstellbar. Und sein unnachahmliches Talent, Geld mit beiden Händen aus dem Fenster zu werfen, auch wenn er danach keines mehr besaß, hat er nur seiner Verweigerung des Definitiven zu verdanken. Kein Geld zu haben, ist für Johann Friedrich von Allmen ein vorübergehender Zustand. Und jede andere Krise ist das auch.
Diese Eigenschaft half ihm dabei, mit dem Rauchen aufzuhören.
Den Abend seiner letzten Zigaretten verbrachte er im Kreise der genussfreudigsten seiner Freundinnen und Freunde im Fumoir der Golden Bar bei etwa gleich vielen Cocktails wie Zigaretten, bevor sie gemeinsam im Château Platine dessen neuen und dritten Michelin-Stern feierten.
Jean-Claude, der Koch und Besitzer, ließ alles auffahren, was ihm nach seiner Meinung den dritten Stern eingebracht hatte. Und jeden Gang ließ er begleiten von den Weinen, die nach seiner Meinung das Ganze noch mit einem vierten Stern abgerundet hätten, wenn es denn einen solchen gäbe.
Als alle anderen Gäste das Lokal verlassen hatten, hob Jean-Claude das Rauchverbot auf. Als er die Armagnacs aus den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts auffahren ließ, war das Château Platine rauchgeschwängert wie eine Hafenspelunke in den fünfziger Jahren.
Allmen kam vollgefressen und sturzbetrunken nach Hause und fiel wie ein Sack Zement ins Bett.
Als er gegen Mittag des nächsten Morgens vom rasselnden Husten eines Mannes geweckt wurde, der sich als er selbst entpuppte, trug er noch Schuhe, Anzug und Mantel. Ihm war sterbensübel, und in seinem Kopf schwappte bei jedem Hustenanfall eine schmerzhafte Flüssigkeit.
Da beschloss er, mit allen drei Dingen aufzuhören: Mit Essen, mit Trinken und mit Rauchen.
Dank der Technik des Vermeidens des Definitiven gelang ihm dies hervorragend. Das Essen war das Erste, dem er sich nach zwei Monaten konsequenter Rohkost wieder zuwandte.
Nach weiteren vier genehmigte er sich die erste Margarita, der bald weitere Cocktails und kurz darauf seine Lieblingschampagner folgten, bevor er endlich den großen Jahrgängen seiner geliebten schweren Rotweine wieder die Ehre gab.
Und das Rauchen? Das Rauchen hat er bis jetzt nicht wieder aufgenommen. Was natürlich nicht bedeutet, dass er es definitiv aufgegeben hat. Er könnte morgen wieder damit beginnen. Aber in den paar Jahren, in denen er es hatte bleiben lassen, ist ihm die Lust darauf mehr und mehr vergangen.
Das einzige, was ihn daran hindert, definitiv zum Nichtraucher zu werden, ist seine Zigarettenspitze aus Kirsch- und Ebenholz.
Und vielleicht auch noch die aus Ebenholz und Silber.
