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Dies ist ein rie­si­ges Ar­chiv von fast al­lem, was Mar­tin Su­ter ge­macht hat, ge­ra­de macht und noch ma­chen will. Sie ha­ben zu bei­na­he al­lem da­von un­be­schränk­ten Zu­gang. Und wenn Sie Mem­ber wer­den, zu noch et­was mehr.

Das große Martin-Suter-Interview, Teil 3

Fo­to ©Mar­co Grob

Der Jour­na­list und Fil­me­ma­cher Nor­bert Je­nal hat im letz­ten Spät­som­mer mit dem Schrift­stel­ler ein sehr gro­ßes und sehr per­sön­li­ches In­ter­view ge­führt. Wir ver­öf­fent­li­chen es hier ex­klu­siv in vier Tei­len. Dies­mal geht es un­ter an­de­rem um den Be­ruf des Schrift­stel­lers, die Fas­zi­na­ti­on der Zeit und das Ver­fil­men von Romanen.

Je­nal: Wie muss ich mir das vor­stel­len, wenn du ei­ne Ge­schich­te be­ginnst? Be­ginnt es mit dem ers­ten Satz, oder be­ginnt es mit der Ar­beit vor­her im Sin­ne von Re­cher­chen, von ei­ner In­spi­ra­ti­on, die ir­gend­wo her­kommt? Wie funk­tio­niert das bei dir?

Su­ter: Al­so ei­ne In­spi­ra­ti­on ist es prak­tisch nie. Aber bei „Ele­fant“, hat mir Pro­fes­sor Ju­cker, ein Schwei­zer Alz­hei­merfor­scher in Tü­bin­gen bei ei­nem Alz­hei­mer­kon­gress ein­mal er­zählt, man kön­ne theo­re­tisch ei­nen ro­sa­ro­ten klei­nen Ele­fan­ten gen­tech­nisch pro­du­zie­ren. Das hat­te ich im­mer im Kopf. Und nach zehn Jah­ren ha­be ich dann ei­nen Ro­man dar­über geschrieben. 

Doch sonst den­ke ich mir die Grund­idee mei­ner Ge­schich­te schon selbst aus. Da­nach fan­ge ich an zu kon­stru­ie­ren. Das war na­tür­lich auch bei „Ele­fant“ so. Es ist ei­ne der kom­ple­xe­ren Ge­schich­ten ge­wor­den. Wie zum Bei­spiel auch „Die Zeit, die Zeit“. Oder „Die dunk­le Sei­te des Mon­des“. Von der Struk­tur her. Ge­schich­ten muss man pla­nen, wie ein Ar­chi­tekt, auf­bau­en. Ich ha­be ge­merkt, auf die har­te Tour näm­lich, in­dem ich zwei Ro­ma­ne in den Sand ge­setzt ha­be, dass, wenn man ei­ne Ge­schich­te nicht vor­her kon­stru­iert, man ris­kiert, dass sie kon­stru­iert wirkt. Oder dass man wäh­rend des Schrei­bens ir­gend­wann an den Punkt kommt, wo man sich fragt: Oh, Mo­ment, was macht jetzt … da müss­te ich ja … wenn ich es jetzt so ma­che, wür­de es dann wie­der lo­gisch sein? Ich muss von An­fang an wis­sen, wie die Ge­schich­te läuft. Hat sie ei­nen Wen­de­punkt? Wie ist der? Wo­hin ist die Fi­gur ver­schwun­den? Das muss ich wis­sen. Das ist die Art, wie ich arbeite. 

Es gibt auch Mo­men­te, in de­nen ich nicht weiß, wie es wei­ter­geht. Dann muss ich auf­hö­ren zu schrei­ben und wie­der an der Dra­ma­tur­gie ar­bei­ten. Et­was, was auch sehr hilf­reich ist, ist: Wenn ich am Abend auf­hö­re zu schrei­ben, soll­te ich wis­sen, wie es am nächs­ten Mor­gen wei­ter­geht. Sonst ris­kie­re ich, blo­ckiert zu sein. Ich soll­te mich am Mor­gen nicht hin­set­zen müs­sen und den­ken: Wie geht es jetzt wei­ter? Der Ide­al­fall ist: Schon be­vor ich mich am Mor­gen hin­set­ze zu wis­sen, wie es weitergeht.

Je­nal: Das wei­ße Blatt, macht dir das noch Angst?

Su­ter: Nein, das hat mir ei­gent­lich nie Angst ge­macht. Das darf ei­nem auch nicht Angst ma­chen. Man muss die­ses Ver­trau­en ha­ben. Man darf nie dar­an zwei­feln, dass das Blatt am Abend voll ist. Man darf aber auch nicht zu si­cher sein, dass das, was auf dem Blatt am Abend steht, dann auch gut ist. Aber es muss was drauf­ste­hen. Das In­spi­rie­rends­te, was ich ken­ne beim Schrei­ben, ist das Schrei­ben. Es ist das, was Ideen pur­zeln lässt. Es ist das, was ei­nen inspiriert. 

Je­nal: Bei „Small World“, dei­nem ers­ten Ro­man, hast du, wenn ich das rich­tig in­ter­pre­tiert ha­be, ge­sagt, ei­gent­lich hät­te man das nicht pu­bli­zie­ren dür­fen. Du hast, glau­be ich, das gan­ze Werk noch­mals neu geschrieben?

Su­ter: Nein, nein, das war ganz an­ders. Ich ha­be es mei­ner Frau zu le­sen ge­ge­ben, und sie hat ge­sagt: „Du wür­dest das nicht le­sen.“ Und ich: „War­um?“ 

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