Martin Suters Unique Blackout
Zwei Tage lang hatte Martin Suter seinen Auftritt mit Stephan Eicher und seiner Band auf der Probebühne in der roten Fabrik geübt. Es waren herrliche Sommertage. Das Essen an den großen Gartentischen schmeckte vorzüglich, die Schwäne übertrafen die weißen Segelboote weit an Eleganz. Und die Proben verliefen makellos. Es war ein vorgezogener Höhepunkt eines unvergesslichen Konzerts.
Sie probten für „Unique Moments“, eine legendäre Open-Air-Serie im Hof des Schweizerischen Landesmuseums neben dem Hauptbahnhof Zürich. Diesmal sollten dort geschichtsträchtige Alben großer Stars zelebriert werden. Und ihr noch junges „Songbook“ war neben Travis mit «The Man Who», Patti Smith mit «Horses» und Kraftwerk mit «Trans Europa Express auserkoren worden.
Als Martin Suter, besser vorbereitet denn je, vor dem Landesmuseum ankam, stand dort noch immer die gelbe letzte Gotthard-Postkutsche, die er schon als kleiner Junge bewundert hatte. Er ging damals an regnerischen Sonntagen manchmal mit seinem Vater dorthin. Jedes Mal wollte er die Ritterrüstungen sehen. Und die Folterkammer mit der schrecklichen eisernen Jungfrau. Und jetzt, mehr Jahre später, als er zählen mochte, würde er vor diesem neoklassizistischen Schloß mit dem berühmten Stephan Eicher und seiner wunderbaren Band vor einem riesigen Publikum ein Konzert mit Lesung geben.
Sie machten einen Soundcheck, und weil es so schön klang, probten sie noch ein wenig. Danach begaben sie sich in den Backstage-Bereich, plauderten ein bisschen, naschten ein wenig vom Künstlerbuffet und entspannten sich in den eleganten Garderoben. Alles war so, wie man sich das Leben als Rockstar immer vorstellt.
So verstrich die Zeit aufs Angenehmste. Und als sie die Bühne betraten, war Martin Suter total entspannt. Zu entspannt, wie wir gleich feststellen werden.
Es war Abend geworden. Die Sonne warf ihr letztes rotes Licht auf das Landesmuseum.
Die Tribüne und der historische Innenhof waren voll besetzt mit erwartungsvollen Menschen.
Und Stephan Eicher begann zu singen
Und er sang so schön, dass alle hingerissen waren.
Auch Martin Suter.
Nach dem Applaus wurde es ganz still vor dem Landesmuseum. Und Martin Gallop, der Gitarrist, dachte: warum geht es nicht weiter?
Und Baptiste Germser, der Bassist, dachte: was jetzt?
Und Stephan Eicher dachte: Mach schon, mach schon.
Und Martin Suter dachte: Warum so still?
Und Stephan Eicher sagte zu Martin Suter: „Du bist dran!“
Und Martin Suter antwortete: „Ich?“
Und dann erinnerte er sich. Stimmt. Wo war ich? Und dann las er.
Und Stephan Eicher dachte: Na endlich.
Und die Show ging weiter.
Bis zu ihrem Happy End.