Allmen und die Fettucine all’ Alfredo

Nor­ma­ler­wei­se den­ke ich mir die Schau­plät­ze und Fi­gu­ren mei­ner Ro­ma­ne aus. Aber in mei­nem nächs­ten All­men, der im März er­scheint, ma­che ich ei­ne Aus­nah­me. Die­se Sze­ne ist sehr authentisch:

Die nächs­te Adres­se war das Ris­tor­an­te Alfredo. 

„Das, wo die Fet­tu­ci­ne all’ Al­fre­do er­fun­den wurden?“

„Ja.“

„Da ist der ein Stamm­gast?“, wun­der­te sich All­men. „Das ist doch ein Tou­ris­ten­ort. Da geht man ein­mal hin, und da­mit hat’s sich.“

„Nicht Faus­to. Die Fet­tu­ci­ne all’Alfredo sind sein Leib­ge­richt. Er be­stellt sie re­gel­mä­ßig bei Ago­s­ti­no und be­schwert sich je­des Mal, sie sei­en nicht rich­tig ge­macht. Mal zu viel But­ter, mal zu we­nig, mal nicht al den­te, und im­mer ist der Par­me­san zu alt.“

Vor dem Ris­tor­an­te Al­fre­do stan­den vie­le weiß­ge­deck­te Ti­sche hin­ter ei­ner schmie­de­ei­ser­nen Ab­sper­rung aus Blu­men­topf­hal­tern. Die Ab­stän­de da­zwi­schen wa­ren mit Ket­ten ver­bun­den. Auf ei­nem Schild stand: „Aper­to dal­le 12:30.“

Es war zwölf Uhr vier­zig, und die paar Kell­ner, die in ih­ren wei­ßen Ja­cketts im In­nern des Ris­tor­an­te her­um­spa­zier­ten, mach­ten kei­ne An­stal­ten, die Ket­ten zu ent­fer­nen. Ei­ne Grup­pe chi­ne­si­scher Tou­ris­ten war­te­te ge­dul­dig, zwei ame­ri­ka­ni­sche Paar reg­ten sich ge­mein­sam auf über die Un­pünkt­lich­keit, ih­re Halb­wüch­si­gen starr­ten ge­lang­weilt in die Smartphones.

End­lich fiel die Ab­sper­rung. Die Grup­pe wur­de auf der Ter­ras­se un­ter­ge­bracht. Weyn­feldt und All­men gin­gen in das rie­si­ge Ris­tor­an­te. Al­le Wän­de wa­ren be­deckt mit Fo­tos der in­ter­na­tio­na­len Pro­mi­nenz aus Po­li­tik, Adel, Kunst und Ki­no der letz­ten acht­zig Jah­re mit dem im­mer un­ter sei­nem ge­pfleg­ten Schnurr­bärt­chen her­vor­strah­len­den Al­fre­do di Lelio.

Die rö­mi­sche Som­mer­hit­ze war noch nicht bis in den hin­ters­ten Teil ge­drun­gen. Nur ein Tisch war dort be­setzt. Ein hüb­sches ja­pa­ni­sches Paar stu­dier­te die Spei­se­kar­te. Der jun­ge Mann hat­te ei­ne win­zi­ge Ka­me­ra auf­ge­baut, auf den Tisch und die Ge­de­cke ge­rich­tet. Das Licht im Raum stamm­te nur von ein paar Wand­leuch­ten und den Spots, die die Jagd­sze­nen der St­uk­ka­tur hervorhoben.

Sie be­stell­ten ar­tig die Fet­tu­ci­ne und frag­ten den äl­te­ren Herrn, der sie be­dien­te, nach Fausto.

„Ja, ja, der Dot­to­re Faus­to, der kommt oft“, lä­chel­te er und verschwand.

Sie schöpf­ten et­was Zu­ver­sicht. Vom „Dot­to­re“ lie­ßen sie sich nicht ir­ri­tie­ren, hier wa­ren sie frei­gie­big mit die­sem Titel.

Als er mit dem Wein kam, ei­nem hal­ben Li­ter wei­ßen An­tino­ri aus Um­bri­en, zeigt ihm Weyn­feldt ein Fo­to von Fausto.

„Ach so, die­ser Faus­to! Wie geht es ihm? Ich ha­be ihn schon lan­ge nicht mehr gesehen.“

Die Zu­ver­sicht kam erst wie­der, als er am Tisch die nas­sen Fet­tu­ci­ne schwung­voll mit der But­ter und dem fein ge­rie­be­nen Par­me­san misch­te und die lan­ge Pas­ta im­mer wie­der auf Schul­ter­hö­he hob und lä­chelnd bau­meln ließ.

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