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Das große Martin-Suter-Interview, Teil 4

Fo­to ©Mar­co Grob

Der Jour­na­list und Fil­me­ma­cher Nor­bert Je­nal hat im letz­ten Spät­som­mer mit dem Schrift­stel­ler ein sehr gro­ßes und sehr per­sön­li­ches In­ter­view ge­führt. Wir ver­öf­fent­li­chen es hier ex­klu­siv in vier Tei­len. Dies­mal geht es un­ter an­de­rem um das Schrei­ben auf dem In­ter­net, das Be­ob­ach­ten oh­ne dass man’s merkt und das Le­ben und die Lie­be.

Je­nal: Ich möch­te noch kurz auf dei­ne web­site ein­ge­hen. Du er­fin­dest dich nicht neu als Schrift­stel­ler, aber du nimmst ei­ne neue Iden­ti­tät an mit der web­site. Könn­te man das so sa­gen?

Suter: Ja, schon. Es ist eben ei­ne an­de­re Form zu schrei­ben oder zu pu­bli­zie­ren, müss­te ich fast sa­gen. Weil die Le­ser­schaft auch ei­ne an­de­re und neue Form zu kon­su­mie­ren an­ge­nom­men hat. Ich fin­de das schon in­ter­es­sant, dass man von ei­ner kur­zen Glos­se auf ei­ne Jam­ses­si­on von Ste­phan Ei­cher mit sei­nen Mu­si­kern sprin­gen kann, nach­dem sie den gan­zen Abend ge­probt ha­ben. Das kann man in ei­nem Buch nicht er­le­ben. Ich mer­ke es ja auch an mir, was ich für ei­nen Misch­masch kon­su­mie­re. Dann schaue ich ei­ne La­te Night Show, ei­ne ame­ri­ka­ni­sche an, und dann hö­re ich Ari­en aus der Sonn­am­bu­la auf Spo­ti­fy, und dann le­se ich die Wa­shing­ton Post, was sie al­les wie­der ge­gen ih­ren Prä­si­den­ten vor­zu­brin­gen ha­ben. Das ist das, was uns die Zeit nimmt, die Le­se­zeit raubt. Ich möch­te mit mei­ner web­site auch ein Stück der ge­raub­ten Zeit zu­rück­er­obern. Das ist auch ei­nes mei­ner Mo­ti­ve.

Je­nal: Ich bin ver­sucht, trotz­dem noch zu fra­gen, ob­wohl du lo­gi­scher­wei­se die ge­raub­te Zeit zu­rück­ge­win­nen möch­test für dich: In­ter­es­siert dich das Me­di­um als sol­ches? Und ar­bei­test du des­halb dar­in, weil es viel­fäl­ti­ger ist als ein­fach nur das Buch? Oder ist es ef­fek­tiv nur eben, um … Es wer­den ja im­mer we­ni­ger Bü­cher ge­le­sen. Es wer­den zwar mehr ge­schrie­ben und ver­öf­fent­licht, aber im­mer we­ni­ger ge­le­sen. Ist das der Grund, wes­halb du dich für ei­ne Web­site ent­schei­dest? Oder ist es eher das Me­di­um, das dich fas­zi­niert?

Suter: Nein, das ist mit ein Grund, dass im­mer we­ni­ger Bü­cher ge­le­sen wer­den. Ich bin auch ein Au­tor, der ger­ne ge­le­sen wür­de. Des­we­gen ver­su­che ich es auch auf die­se an­de­re Art. Viel­leicht brau­che ich jetzt, weil ich noch an­de­re Sa­chen schrei­be, ein biss­chen län­ger an ei­nem Ro­man. Ich wer­de mei­ne Web­site-Le­ser­schaft ein biss­chen an sei­ner Ent­ste­hung teil­neh­men las­sen. Viel­leicht ist das ei­ne Form. Ich will ein­fach Ver­schie­de­nes aus­pro­bie­ren. Schau mich an, ich bin ei­gent­lich nicht der ty­pi­sche Pio­nier. Al­ters­mä­ßig gä­be es da an­de­re, die da ein biss­chen mit­ma­chen soll­ten. Aber so­lan­ge es mir Spaß macht, über­neh­me ich das eben.

Je­nal: Ist da auch wie­der der Wer­ber, der da in dir wie­der­auf­flammt, der auch ver­steht, wie man sich viel­leicht et­was von die­ser ge­stoh­le­nen Zeit zu­rück­er­obert?

Suter: Nein, ei­gent­lich ist bei mir nie der Wer­ber auf­ge­flammt. Es war ei­gent­lich im­mer so und ist auch jetzt wie­der so: Es ist der Schrift­stel­ler, der auf­flammt. Und der Schrift­stel­ler ist ei­ner, der will, dass man ihn liest. Des­we­gen ma­che ich das. 

Je­nal: Die­ses Pu­bli­zie­ren im In­ter­net, ver­än­dert das dei­ne Ar­beit als Schrift­stel­ler? Ent­steht ei­ne neue Art von dir als Schrei­ber?