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Dies ist ein rie­si­ges Ar­chiv von fast al­lem, was Mar­tin Su­ter ge­macht hat, ge­ra­de macht und noch ma­chen will. Sie ha­ben zu bei­na­he al­lem da­von un­be­schränk­ten Zu­gang. Und wenn Sie Mem­ber wer­den, zu noch et­was mehr.

Werdbühlers Autorität

Werd­büh­ler sitzt im Wohn­zim­mer und trinkt ei­nen Whis­ky. Es­ther ist schon oben. ”Kommst  du auch?” hat­te sie nach der Spät­aus­ga­be ge­fragt. ”Gleich”, hat­te er ge­ant­wor­tet. ”Aber reg dich nicht wie­der auf”, hat­te sie ihm noch von der Trep­pe aus zugerufen.

Er wird sich nicht auf­re­gen. Falls ihm Lu­ca kei­nen Grund da­zu gibt. Selbst wenn er ihm ei­nen gä­be: Es geht nicht um auf­re­gen oder nicht. Es geht dar­um, dass sein Sohn lernt, dass drei­und­zwan­zig Uhr drei­ßig drei­und­zwan­zig Uhr drei­ßig heißt. Und NICHT drei­und­zwan­zig Uhr vier­zig. Es geht um Lu­ca, nicht um ihn. Oder nur in­so­fern, als er als Va­ter den gan­zen Teil sei­ner Auf­ga­be wahr­nimmt. Nicht nur an­ord­net, son­dern auch die Be­fol­gung sei­ner An­ord­nun­gen prüft. Wie auch sonst im Ma­nage­ment. Voilà.

Werd­büh­ler zappt durch die Spät­pro­gram­me und nimmt ei­nen Schluck. Bis jetzt ist ja al­les o.k. Drei­und­zwan­zig Uhr null fünf. Noch fünf­und­zwan­zig Mi­nu­ten Zeit für Lu­ca, et­was Rei­fe zu zei­gen. Werd­büh­ler wür­de so tun, als wä­re er zu­fäl­lig noch auf. Ei­ne Sen­dung, die ihn in­ter­es­siert hat­te. Er wür­de Lu­cas pünkt­li­ches Er­schei­nen mit kei­nem Wort er­wäh­nen. Über Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten ver­liert man kei­ne Wor­te. Nicht in die­sem Haus.

Werd­büh­ler geht mit dem fast lee­ren Glas an die Haus­bar und füllt et­was Whis­ky nach. Kein zwei­ter Drink, nur die Ver­län­ge­rung des ers­ten auf ein ge­bräuch­li­ches Maß. Er setzt sich wie­der und schal­tet durch Tier­fil­me, Nach­rich­ten­ma­ga­zi­ne, Wie­der­ho­lun­gen und ver­staub­te Se­ri­en. Es wird drei­und­zwan­zig Uhr zwanzig.

Er macht das nicht je­des Mal. Nur spo­ra­disch, stich­pro­ben­ar­tig. Das Bürsch­chen soll wis­sen, dass er je­der­zeit da­mit zu rech­nen hat, dass er noch auf ist. Er soll wis­sen, dass sein Wort gilt. Wenn er sagt drei­und­zwan­zig Uhr drei­ßig, dann IST es drei­und­zwan­zig Uhr dreißig.

Um drei­und­zwan­zig Uhr zwei­und­drei­ßig  ver­län­gert Werd­büh­ler sei­nen Whis­ky auf ei­nen et­was gut ein­ge­schenk­ten. Zwei, drei Mi­nu­ten lie­gen noch in der To­le­ranz ei­ner schlecht ab­zu­le­sen­den Swatch. Ob­wohl man von ei­nem Sech­zehn­jäh­ri­gen so­viel Weit­blick er­war­ten darf, dass er ein paar Mi­nu­ten Re­ser­ve ein­plant. Werd­büh­ler wird sich nicht auf­re­gen, er wird ent­spannt die­sen sehr in­ter­es­san­ten Film über die Brut­ge­bie­te des Pi­rols be­trach­ten. Und wenn Lu­ca ein­trifft, ihm ganz ru­hig die Sank­tio­nen dik­tie­ren. Aus­geh­ver­bot für zwei, drei, vier Wo­chen, je nach Ver­spä­tung, mein Lieber!

Um Mit­ter­nacht ent­schei­det er sich aus­nahms­wei­se für ei­nen zwei­ten Whis­ky, dies­mal von An­fang an rich­tig ein­ge­schenkt. Kurz vor halb eins run­det er ihn noch ein­mal auf. Da­nach muss er kurz ein­ge­nickt sein.

Er er­wacht von ei­nem Ge­räusch und schlägt die Au­gen auf. Das Ge­stöh­ne stammt nicht von brü­ten­den Pi­ro­len, son­dern von ei­nem jun­gen Paar, das auf ei­nem Bil­lard­tisch of­fen­bar nach sei­nen Klei­dern sucht. Ne­ben dem So­fa steht Lu­ca und sagt: ”Aber, aber Pa­pi, geh du lie­ber ins Bett.”

Am nächs­ten Mor­gen bei der Wo­chen­sit­zung kommt Kau­ter vier Mi­nu­ten zu spät. ”Wenn ich sa­ge acht Uhr drei­ßig”, brüllt Werd­büh­ler, ”dann IST es acht Uhr dreißig!”.

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