Vier Geschichten zu Emmentaler Käse

Der flache, geblümte Teller
Das Wachstischtuch war blau-weiss kariert und brüchig an den Stellen, wo es die Tischtuchklammern hielten. Um den Küchentisch standen zwei Taburettli mit Linoleum-Sitzflächen und ein Stuhl mit Lehne, kürzlich türkisfarben gestrichen. Auf dem Tisch standen: Steingutteller und Tassen, jedes Stück anders, keines unbeschädigt; ein Krug mit heisser Milch (vor dem Kochen sorgfältig entrahmt, das gab Schlagrahm für die Meringues); ein Kaffeekrug aus Aluminium (mit Glasdeckel), den man auf die Herdplatte stellen konnte, um den Kaffee aufzuwärmen; ein gläserner Butterteller, Brot auf einem zerkratzten Brett, dünnflüssige, tropfende Kirschenkonfitüre; ein flacher, geblümter Teller mit einem Stück Emmentaler, von dem die Rinde weggeschnitten und schon in winzige Würfel geschnitten war, für die Spatzen auf dem Küchensims.
Im Backofen des blauschwarz gesprenkelten Herdes lagen auf den Kuchenblechen Stösse von Butterpapieren, die fettige Seite nach innen gefaltet. Im Schüttstein aus gelblichem Steingut zeigten tausend feine Risse auf den Abfluss. Am Wasserhahn steckte ein Verlängerungsstück aus rotem Gummi. An der geplättelten Wand hing an einem geduldig immer wieder angeklebten Haken eine Flaschenbürste mit einem langen Stiel aus zwei ineinandergedrehten Drähten. In der Durchreiche zur Stube die blecherne, runde Brotschachtel, auf deren Deckel jemand zwei Rosen gemalt hatte. Im Schrank eine Schachtel mit mühsam entknoteten, säuberlich zusammengerollten Paketschnüren, zwischen denen da und dort winzige Knäuel farbiger und goldener Bändel weihnachtlich hervorblitzten.
Das war die Küche meiner Grosseltern, von der mir geblieben ist: Ein flacher, geblümter Teller, auf dem manchmal ein Stück Emmentaler liegt.

Die folgenden drei Anzeigentexte wurden elf Jahre nach ihrem Erscheinen in einer literarischen Zeitschrift abgedruckt. Martin Suter ist noch immer ein bisschen stolz darauf.
