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Schunkeln im Dunklen

©filmo­re-ber­ger­ar­chiv

Für die Aus­stel­lung „Wer­bung ist für al­le da “ (Mu­se­um für Ge­stal­tung Zü­rich, 28. Au­gust bis 20. Ok­to­ber 1991, Mar­tin Hel­ler ; Wal­ter Kel­ler (Hrsg.) schrieb Mar­tin Suter die­sen Text. Wie fin­den Sie ihn, 32 Jah­re spä­ter?

Ken­nen Sie die Au­toren der Tex­te für Maz­da und Gü­belin? Ha­ben Sie ei­ne Ah­nung, wer der Schöp­fer der Auf­trit­te für die NZZ ist? Kön­nen Sie die Na­men der Con­cept Ar­tists für Swis­sair oder To­ni nen­nen? Wohl kaum. Denn nie heisst es »die Künst­ler sind an­we­send« bei den Ac­crocha­gen für EPA, Glatt, Emmenta­ ler, BMW und FIGUGEGL in den Stras­sen und Bahn­hof­pas­sa­gen un­se­rer Kul­tur­land­schaft.

Wer das be­grif­fen hat, hat viel ge­lernt über die Leu­te, die Wer­bung ma­chen. War­um sie oft so laut sind, war­um sie sich oft so auf­fäl­lig be­neh­men, war­um sie oft Cli­quen bil­den, aber auch, war­um sie oft so un­an­ge­passt und gesellschaftskri­tisch sind, war­um sie oft so­viel Kunst­ver­stand be­sit­zen.

Für den Be­ruf der Wer­bung braucht es näm­lich Vor­aus­set­zun­gen, die ei­nem den Be­ruf der Wer­bung ei­gent­lich ver­un­mög­li­chen müss­ten: Man muss mittei­ lungs­be­dürf­tig sein, aber man darf nicht sich mit­tei­len. Man muss künst­le­risch be­gabt sein, aber man darf kei­ne künst­le­ri­sche Frei­heit for­dern. Man muss die Zei­chen der Zeit er­ken­nen, aber ih­nen erst fol­gen, wenn sie vor­bei sind. Man muss in­no­va­tiv sein, aber das Be­währ­te be­wah­ren wol­len.

Wer­be­leu­te müs­sen ex­tro­ver­tiert sein. Aber es ist nicht ihr ei­ge­nes In­ne­res, das sie da nach aus­sen keh­ren. Es ist das von Volks­wa­gen, Mo­skovs­ka­ya, Pep­si und Bico-Ma­trat­zen. Es geht in der Wer­bung zwar im­mer mehr um Iden­ti­tät. Aber nicht um die der Wer­ber, son­dern um die­je­ni­ge von Pro­duk­ten und Mar­ken. Nicht die ver­schmitz­te Bie­der­keit der Kon­zep­ter, son­dern die der Mar­ke VW soll über­zeu­gen. Nicht die ver­schro­be­ne Ar­ro­ganz der Tex­ter, son­dern die des Wod­kas Mo­skovs­ka­ya soll ge­fal­len. Nicht das coo­le Le­bens­ge­fühl der Art Di­rec­tors soll » The New Ge­nera­ti­on« mit­reis­sen, son­dern das von Pep­si. Und nicht den ho­sen­bö­de­li­gen Fest­zel­thu­mor des Re­gis­seurs sol­len die Leu­te lie­ben, son­dern den der Bico-Ma­trat­zen.

Na­tür­lich ist Wer­bung nicht der ein­zi­ge Be­ruf, der von der Selbst­ver­leug­nung der­je­ni­gen lebt, die ihn aus­üben. Aber er ist be­stimmt der ein­zi­ge, in dem die An­ony­mi­tät vor so­viel Öf­fent­lich­keit statt­fin­den muss.

Wer­bung ist aber wohl auch der Be­ruf, in dem sich die­se Selbst­ver­leug­nung am bes­ten be­zahlt macht. Und da­mit sind wir beim har­ten Kern un­ter der wei­chen Scha­le von uns Wer­be­leu­ten: der stän­di­gen Be­reit­schaft, die künst­le­ri­sche Frei­heit der wirt­schaft­li­chen zu op­fern, die Aus­drucks­kraft in den Dienst der Fi­nanz­kraft und die Krea­ti­vi­tät in den der Pro­spe­ri­tät zu stel­len.

Es ist die­ser Hang zum Ma­te­ria­lis­mus, der un­ser kleins­ter ge­mein­sa­mer Nen­ner ist. Und es ist die­ses an­ge­bo­re­ne Pen­chant zum Kon­sum, das uns trotz al­ler Wi­der­sprüch­lich­keit zu un­se­rem Be­ruf prä­de­sti­niert. Der Ge­burts­feh­ler, der Künst­ler zu Wer­bern macht.