Heute ist der Tag der Milch

Lin­ol­schnit­te: Bern­hard Stru­chen. Art Di­rec­tion: Beat Keusch. Ja, schon wie­der der­sel­be, der jetzt, über 30 Jah­re spä­ter, mit sei­nem Team die­se Web­site ge­stal­tet hat. BKVK — beatkeusch.ch

Heu­te ist der Tag der Milch, die es da­mals in der Zehn­uhr­pau­se in klei­nen Fla­schen mit glän­zen­den Allu­mi­ni­um­de­ckeln gab, in die man (plop!) mit dem Röhr­chen ein Loch pi­cken konn­te, oder die man mit dem klei­nen Dau­men ein­drü­cken muss­te, wenn man aus der Fla­sche trin­ken (aus der Fla­sche sau­fen) woll­te. Der Tag der Milch, die we­der kalt noch lau­warm war und nur so schme­cken kann, wenn man acht ist, und es nach Bo­den­wich­se und Krei­de riecht. 

Heu­te ist der Tag der Milch, die man beim Ko­chen streng be­wa­chen muss­te, weil sie schlau war und so tat, als ob sie sich lang­sam in et­was Ar­ti­ges, Schau­mi­ges ver­wan­deln wür­de und plötz­lich zu et­was Un­ver­sie­gen­dem, Über­schäu­men­dem wur­de, das auf der Herd­plat­te lei­se zu et­was Hart­nä­cki­gem ver­zisch­te. Der Tag der ab und zu ver­brann­ten Milch.

Heu­te ist der Tag der Milch, die die Mut­ter mit ei­nem Tat­te­ri aus Por­zel­lan über­lis­te­te, der auf dem Bo­den der Pfan­ne lag und die Ab­sicht der Milch ver­riet (tat-tat-tat), lan­ge be­vor sie über­schäu­men konn­te. Der Tag der Milch, die die Tan­te mit ei­nem Über­lauf-Pilz aus Stein­gut in ei­nen ohn­mäch­ti­gen ewi­gen Spring­brun­nen ver­wan­del­te. Der Tag der ab und zu ge­zähm­ten Milch.

Heu­te ist der Tag der Milch, die sich für das Ko­chen mit ei­nem Pelz­li rächt, das frü­her die Welt auf­teil­te in die, die sich vor ihm ekel­ten und die, die sie des­we­gen auslachten.

Heu­te ist der Tag der Milch, von der die Gross­mutter je­den Tag den Rahm ab­schöpf­te und dar­aus am Sonn­tag Schlag­rahm für die Me­rin­gues mach­te, der nach dem alt­mo­di­schen Kühl­schrank schmeckte

Heu­te ist der Tag der Milch, de­ren fei­ner, schar­fer Strahl an der bau­chi­gen Wand des Kes­sis sirrt, wenn der Küng Wal­ter im dunk­len Stall die schnau­fen­den, stamp­fen­den Sim­men­ta­ler melkt. Der Tag der Milch, die aus der Kan­ne, die im Brun­nen kühlt, in die schwar­ze Win­ter­nacht dampft.

Heu­te ist der Tag der Milch, die al­le Nähr­stof­fe ent­hält, die un­ser Kör­per braucht. Der Tag der Milch, aus der man über hun­dert Pro­duk­te ma­chen kann.

Heu­te ist der Tag der Milch, die uns auf­weckt, wenn wir am Mor­gen mit ihr den Kaf­fee auf­hel­len, die uns in den Schlaf wiegt, wenn wir in un­ru­hi­gen Näch­ten ei­nen Löf­fel Ho­nig in ihr zer­ge­hen lassen.

Heu­te ist der Tag der Milch, die ein­mal im Jahr auf den gros­sen Plät­zen Ba­sels ver­schenkt wird.

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