Frau Gabtlinger hat recht
Frau Gabtlinger lebt seit bald zwanzig Jahren in Deltmatten, in einem kleinen Doppeleinfamilienhaus. In der anderen Hälfte wohnen die Wurbfelds. Andere Nachbarn wären ihr lieber, aber was soll’s.
Das Haus hat sie von ihrer Lieblingstante Rosa geerbt. Diese hatte es seit dessen Fertigstellung in den Fünfzigerjahren bewohnt. Ihre Nachbarn waren von Anfang an die Wurbfelds gewesen, die Eltern der jetzigen. Auch sie hätte lieber andere Nachbarn gehabt, aber auch sie hatte gesagt: Was soll’s.
Als Frau Gabtlinger in das Haus eingezogen war, war sie noch verheiratet gewesen, aber bereits nicht mehr glücklich. Da hatte sie nicht gesagt, was soll’s, sondern: So nicht. Und es dauerte nicht lange, bis sie das Haus alleine bewohnte. Sie baute es ein wenig um, schaffte mehr Licht und Klarheit und machte Bad, Küche und Heizung heutiger.
Manche Leute finden, das Haus sei zu groß für eine alleinstehende Frau. Aber da ist Frau Gabtlinger ganz anderer Meinung. Sie hat gerne viel Platz. Sie versteht es, alle sechs Zimmer zu bewohnen. Sie deckt sich den Tisch im Esszimmer. Sie trinkt den Tee und den Aperitif im Wohnzimmer. Sie macht sich am Schminktisch im Schlafzimmer zurecht. Sie bringt ihre Gäste im Gästezimmer unter. Sie hält sich fit im Fitnesszimmer, das sie neuerdings „Gym“ nennt. Und sie liest in der Bibliothek.
Nein, das Haus ist keineswegs zu groß für sie. Ganz abgesehen davon, dass sie auch viel Besuch hat. (Ja, ja, liebe Wurbfelds, auch Herrenbesuch.) Schließlich hat sie neun Nichten und Neffen, für die sie, in aller Bescheidenheit, die Lieblingstante ist. Das liegt vielleicht auch an ihrer Großzügigkeit, denn Frau Gabtlinger liebt es zu schenken. Sie führt genau Buch über alle Geschenke, die sie ihren Nichten und Neffen und deren Eltern zu Weihnachten und Geburtstagen je geschenkt hat, um sich ja nie zu wiederholen. Sie notiert sich das ganze Jahr Geschenkideen. Sie führt in einem der Kellerräume ein ganzes Lager von Geschenkpapieren und –bändeln aus aller Herren Länder. Und sie illustriert alle Geschenkkarten so hübsch, dass viele Freunde immer wieder sagen: „Du solltest einmal eine Ausstellung machen.“
Weil Frau Gabtlinger eine große Leserin ist, hat sie vor ein paar Monaten zu ihrer eigenen Überraschung begonnen, in Martin Suters Website zu lesen. Weil sie dort Texte findet, die es nur dort gibt. Neue Kolumnen, jeden Monat drei, Geschichten, die noch nie veröffentlicht wurden, Reportagen, die er als junger Mann geschrieben hat und Informationen über seine Romanfiguren, die nicht in seinen Romanen stehen.
Als sie entdeckte, dass man das Abonnement auch verschenken kann, fiel ihr sofort Bernadette ein, die Leseratte. Sie bestellte ein Geschenkabonnement – und wurde enttäuscht.
Das Geschenk kam in Form eines pdf, das sie ausdrucken musste!
Daraufhin schrieb sie folgenden Brief:
„Liebe Redaktion Martin Suter
Wissen Sie, was ein Geschenk ist? Etwas Persönliches! Wenn ich jemandem mit einem Jahresabo für martin-suter.com eine Freude machen will, dann schenke ich ihm kein Pe-de-eff. Dann schenke ich ihm etwas, dem man ansieht, dass es von mir ist. Und von Martin Suter.
Wenn Sie mich fragen: Da müssen Sie sich etwas einfallen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Vera Gabtlinger“
Wir fanden, Frau Gabtlinger hat recht:
Der neue Geschenkgutschein für unsere Website kommt per Post. Sie können ihn selbst ausfüllen, und wenn Sie wollen, noch ein wenig verzieren. Und ihn dann wieder per Post oder ganz persönlich dem Menschen schicken oder überreichen, dem Sie damit eine Freude machen wollen. Er trägt die Originalunterschrift von Martin Suter.