Volkmanns neue Coolness

Edgar Volkmann ist bekannt für seine systematische Herangehensweise an berufliche und private Challenges. „Der Zufall ist ein Halodri“ pflegt er zu sagen. Darum überlässt er ihm nichts.
So ist er einer der wenigen, der sich nicht an der allgemeinen Aufgescheuchtheit beteiligt, als die Bank die neuen Coolness Rules intern kommuniziert: Kunden werden nicht mehr gesiezt, Krawatten werden keine mehr getragen.
Für Volkmann ist das persönlich ein harter Schlag, denn er ist ein sehr formeller Mann. Er ist intern mit niemandem per Du und auch extern mit sehr wenigen – mit der Familie, ein paar aus der Schulzeit, ein paar aus dem Militärdienst, damit hat sich’s.
Das „Du“, findet er, untergräbt den Respekt. Und auf Respekt legt Volkmann größten Wert, denn vom anderen Wichtigen, der Liebe, erfährt er nicht allzu viel.
Auch vom krawattenlosen Zustand ist er nicht angetan. Die Krawattenpflicht war stets einer der Gründe, weshalb er sich in der Bank wohlfühlte. Die Krawattenpflicht und die Anzüge, die diese mit sich bringt.
Einer der größten Posten seines persönlichen Budgets trägt den Titel Suits and Styling, sein Hang zu Anglizismen ist eine déformation professionelle, die sich auch auf seine private Buchhaltung überträgt. Der Budgetposten Suits and Styling ist eher größer als Familiengarderobe für Salome und die Kinder.
Der Wegfall der Krawatte bedeutet offenbar nicht, dass er in Zukunft mit offenem Hemdkragen oder sogar mit einem Seidenfoulard zur Arbeit erscheinen kann. Krawattenlos bedeutet, dass das übrige Styling künftig der Krawattenlosigkeit angepasst werden muss. Also Chino, Polo und Sneaker.
Diese Maßnahme trifft nicht nur Leonardo Rizzo, den Hauswart und ehemaligen Herrenschneider, der die Pseudoknopflöcher am Ärmelschlitz in richtige, knöpfbare umarbeitet, damit Volkmanns Anzüge von der Stange aussehen wie maßgeschneidert. Sie trifft vor allem Volkmanns Selbstvertrauen. Dieses wird nämlich erfahrungsgemäß geschwächt durch Casual Dressing. Die Einführung des Casual Friday vor Jahren bei einem früheren Arbeitgeber hatte einst sogar zum Stellenwechsel geführt, weil er sich ohne Anzug und Krawatte wie in einem Traum ohne Hose gefühlt hatte.