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Dies ist ein rie­si­ges Ar­chiv von fast al­lem, was Mar­tin Su­ter ge­macht hat, ge­ra­de macht und noch ma­chen will. Sie ha­ben zu bei­na­he al­lem da­von un­be­schränk­ten Zu­gang. Und wenn Sie Mem­ber wer­den, zu noch et­was mehr.

Amrein im Smoking

Als Am­rein er­wacht, hat er zwar ei­nen Ka­ter, aber er kann sich noch ge­nau an je­des De­tail er­in­nern. Leider.

Der Platz ne­ben ihm ist leer. Re­gu­la schläft im Gäs­te­zim­mer. Sie wol­le in der Neu­jahrs­nacht nicht das Bett mit ei­nem Geis­tes­kran­ken tei­len, hat­te sie ge­brüllt. „Geis­tes­kran­ker“ be­zog sich auf sei­nen Ver­such, sei­nen Smo­king an­zu­zün­den, den er nur auf­ge­ge­ben hat­te, weil ihm die Streich­höl­zer aus­ge­gan­gen waren.

Das Cor­pus De­lic­ti liegt jetzt als schwar­zer Hau­fen auf dem Spann­tep­pich ne­ben dem Ehe­bett. Mit ei­nem Brom­beer­jo­ghurt über­gos­sen. Am­rein hät­te auch noch ein Him­beer und ein Na­tu­re da­zu­ge­schüt­tet, wenn sich Re­gu­la nicht so ent­schlos­sen vor den Kühl­schrank ge­wor­fen hätte.

Es stimmt, sie hat­te ihm schon im No­vem­ber, als Eich­holz­ers Sil­ves­ter­ein­la­dung ein­traf, drin­gend ge­ra­ten, den Smo­king an­zu­pro­bie­ren. Oh­ne ihr „da­mit du dann nicht aus­siehst wie ei­ne Blut­wurst“ hät­te er es viel­leicht ge­tan. Aber so war­te­te er da­mit bis zum letz­ten Au­gen­blick. Näm­lich bis Sil­ves­ter, acht­zehn Uhr dreißig. 

Be­reits als er – in der Ab­ge­schie­den­heit des Schrank­zim­mers – die Ho­se auf Knie­hö­he hoch­ge­zo­gen hat­te, ahn­te er, was auf ihn zu­kam. Und als er den Bund un­ter Auf­bie­tung al­ler Kräf­te zu­ge­knöpft hat­te, wuss­te er, dass er bes­ser auf Re­gu­la ge­hört hät­te. Dass ihm der Bauch über den Bund quoll, ging ja noch. Er hat­te schon an­de­re Män­ner mit über­hän­gen­den Bäu­chen ge­se­hen. Aber bei ihm quoll der Bauch auch un­ter dem Bund her­vor. Zum Glück brach­te er den Knopf des Ja­cketts ge­ra­de noch zu. So konn­te er die Tail­le in den meis­ten Po­si­tio­nen kaschieren.

Bis zum Haupt­gang hat­te er sich nichts an­mer­ken las­sen. Und auch Re­gu­la hat­te sich, ab­ge­se­hen von ei­nem nach­denk­li­chen Blick auf sei­ne Mit­te, je­den Kom­men­tar ver­sagt. Er war auch schon zwei­mal zu ei­nem Plausch bei Eich­holz­ers Tisch vor­bei­ge­gan­gen, fest ent­schlos­sen, sei­nem Wi­der­sa­cher Ban­ger­ter zu zei­gen, wer den bes­se­ren Draht nach ganz oben be­sitzt. Aber beim Haupt­gang be­fiel ihn ei­ne klei­ne Schwä­che, die er dar­auf zu­rück­führ­te, dass ihm der Ho­sen­bund ei­ne wich­ti­ge Ar­te­rie abschnürte.

„Bin ich bleich?“, hat­te er Re­gu­la gefragt.

„Nein, ganz im Gegenteil.“ 

Da öff­ne­te er vor­sich­tig den Bund­knopf. Die plötz­lich Be­las­tung war zu viel für den obers­ten Ho­sen­la­den­knopf. Er riss mit ei­nem hör­ba­ren „Plop“ und lös­te da­durch bei den fol­gen­den Knöp­fen ei­ne Ket­ten­re­ak­ti­on aus. „Plo­plo­plop.“

Dass Bar­ba­ra ihn da­bei scherz­haft als „le­ben­de Tisch­bom­be“ be­zeich­ne­te, führ­te zu ei­nem schlecht über­spiel­ten Ehe­krach, der auch um Mit­ter­nacht noch an­dau­er­te, als Am­rein an sei­nen Platz ge­fes­selt hilf­los mit­an­se­hen muss­te, wie Ban­ger­ter mit Eich­hol­zer Bru­der­schaft trank.

Nur ein­mal ver­öf­fent­licht am 2.1.03

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