×

Dies ist ein rie­si­ges Ar­chiv von fast al­lem, was Mar­tin Su­ter ge­macht hat, ge­ra­de macht und noch ma­chen will. Sie ha­ben zu bei­na­he al­lem da­von un­be­schränk­ten Zu­gang. Und wenn Sie Mem­ber wer­den, zu noch et­was mehr.

Zahnds Dachschaden

Der Druck, der auf den mo­der­nen Ma­na­gern las­tet, sei so enorm, dass die we­nigs­ten von ih­nen oh­ne psy­chi­sche Schä­den sei­en, hat Jean Pierre Zahnd kürz­lich ge­le­sen. Wenn das stimmt, müss­te er auch ei­nen ha­ben. Wenn nicht so­gar zwei. Denn wenn ei­ner ein mo­der­ner Ma­na­ger un­ter Druck ist, dann Zahnd. Aber da er ab­so­lut neu­ro­sen­frei ist, schenkt er dem Be­richt kei­nen Glauben. 

Kur­ze Zeit nach Er­schei­nen des Be­rich­tes ent­wi­ckelt Fer­di­nand Za­ni­ni ei­nen Blin­zel­tick, de­ren Ka­denz er in Ge­gen­wart ho­her Char­gen mü­he­los stei­gern kann, bis zu fünf Wimpernschlägen/Sek. Er kann da­sit­zen, schein­bar gleich­mü­tig und kon­trol­liert, und sei­ne Au­gen­de­ckel ra­sen wie ein Dau­men­ki­no. Ein sehr ein­drück­li­cher Ef­fekt, der ver­mit­telt: Der Mann ist Herr sei­ner Sin­ne, ob­wohl in ihm stän­dig das Schluss­bou­quet des gro­ßen Feu­er­werks der Hin­ga­be an die Un­ter­neh­mung lichtert. 

Was Zahnd be­un­ru­higt, ist Lau­bers Re­ak­ti­on auf das Ge­blinz­le: Er nimmt es wort­los aber bil­li­gend zur Kenntnis. 

In den fol­gen­den Wo­chen be­ob­ach­tet Zahnd sei­ne ei­ge­ne Psy­che. Ir­gend­ei­nen Scha­den muss er ja ge­nom­men ha­ben in 22 Jah­ren Hoch­druck-Ma­nage­ment. Mit ei­ner klei­nen Neu­ro­se, Psy­cho­pa­thie oder Psy­cho­se müss­te auch er auf­war­ten kön­nen. Als Kind hat­te er kurz­fris­tig ein Bett­näs­ser­pro­blem. Na­tür­lich taugt das Sym­ptom Bett­näs­sen nicht für das Ar­beits­um­feld der Füh­rungs­eta­ge ei­nes grö­ße­ren Be­trie­bes. Aber viel­leicht ist von der Ur­sa­che noch et­was üb­rig. Et­was, das sich an­ders kom­mu­ni­zie­ren lie­ße. Zum Bei­spiel mit ei­nem Tick wie Za­ni­ni. Mit Gri­mas­sie­ren, un­ver­mit­tel­tem Sin­gen mit Kopf­stim­me, Selbstgesprächen.

Noch be­vor sich Zahnd fest­ge­legt hat, über­rascht Vogt an der Be­reichs­lei­ter­sit­zung mit ei­nem ziem­lich glaub­wür­di­gen Wein­krampf. Er wird von Feer und Hahn hin­aus ge­stützt. Zehn Mi­nu­ten spä­ter ist er wie­der zu­rück. „Sor­ry, kommt nicht wie­der vor“, mur­melt er und trägt ge­fasst und sou­ve­rän sein Be­reichs­bud­get vor. Ein sehr ein­drück­li­ches Bei­spiel von Ma­nage­ment am Ran­de ei­nes Ner­ven­zu­sam­men­bruchs. Zahnd hat den Ein­druck, Lau­ber ha­be ihm ei­nen vor­wurfs­vol­len Blick zu­ge­wor­fen. Hält er ihn für unterfordert?

In den fol­gen­den Ta­gen fällt Feer durch grund­lo­ses hys­te­ri­sches La­chen auf und Hahn da­durch, dass er den Lift mei­det und als ein­zi­ger per Zug zu ei­nem Mee­ting nach Lon­don reist. Zahnd wird ner­vös. Aber nicht ge­nug, dass es für ei­ne ernst­haf­te Schlaf­stö­rung mit vor­zeig­ba­ren Sym­pto­men reicht. Höchs­tens ei­ne ge­wis­se mor­gend­li­che Reiz­bar­keit stellt er an sich fest, die man mit et­was fach­li­cher Hil­fe viel­leicht in ei­ne leich­te De­pres­si­on um­in­ter­pre­tie­ren könn­te. Aber wäh­rend er noch mit dem Ge­dan­ken spielt, war­tet Lau­ber hims­elf mit ei­ner mit­tel­schwe­ren De­pres­si­on auf, die sich in län­ge­rem Aus-dem-Fens­ter-star­ren äu­ßert, vor Be­ginn der Sit­zung und – be­son­ders ef­fekt­voll – auch in de­ren Verlauf. 

Viel­leicht ist der psy­chi­sche Be­las­tungs­scha­den der ers­te Ma­nage­ment-Trend, bei dem er pas­sen muss, denkt Zahnd re­si­gniert und steckt den Dau­men zu­rück in den Mund.

Nur ein­mal er­schie­nen am 26.6.97


×
Login

Passwort wiederherstellen

Member werden
Member werden für 60 Franken pro Jahr
Probezugang

Falls Sie einen Code besitzen, geben Sie diesen hier ein.

Gutschein

Martin Suter kann man auch verschenken.
Ein ganzes Jahr für nur 60 Franken.
Versandadresse: