Hausers Handicap
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«Ach, Hauser, wie geht’s? Sie wollten mich sprechen?»
«Ja, ich…»
«Aber, so nehmen Sie doch Platz, so spricht es sich besser, bitte.»
«Vielen Dank.»
«Also, was gibt’s? Probleme in der Abteilung? Hoffentlich nicht. Im Dezember.»
«Nun, ich.….»
«Sind bequemer als sie aussehen, diese Corbusier Sessel. Wenn man bedenkt: Sechzigsiebzig Jahre alt, das Design, und immer noch das Modernste, fauteuilmässig, nehmen Sie einen Kaffee? FRAU MEIER! Oder sonst etwas?»
«Nein danke, ich habe gerade.…»
«Ach, Frau Meier, bringen Sie mir doch einen Espresso und Herrn Hauser, was haben Sie gesagt, nehmen Sie?»
«Eigentlich.….»
«Bringen Sie Herrn Hauser auch einen, wie nehmen Sie ihn? Zucker? Crème? Ich nehme Assugrin. Meine einzige Sportart, hahaha»
«Höhö.»
«Zweimal mit Assugrin, Frau Meier, bitte. Also, wo waren wir?»
«Ich wollte gerade.…»
«Ach ja, Probleme in der Abteilung. Das ist aber sehr unerfreulich, ausgerechnet im Dezember, Sie wissen, wir liegen unter Budget, wir brauchen den Dezember, haben Sie Lieferprobleme?»
«Nein, das nicht.…»
«Gott sei Dank, das hätte mich auch gewundert, das sollten wir nun wirklich im Griff haben, nach der letzten Logistikübung im März. So, hat sie also doch etwas gebracht. Ja, dieser Gebert ist gut. Hab ihn Gurtner empfohlen. Auch hochzufrieden. Ist an sich heikel, externe Berater weiterzuempfehlen. Erinnern Sie sich an diesen Zuppiger, Berater für interne Kommunikation?»
«Zuberbühler.»
«Ein absoluter Scharlatan. Aber wir waren bei Ihrem Problem.»
«.….….…»
«Schiessen Sie los. Ach, unser Kaffee, einfach hinstellen, Frau Meier, wir bedienen uns selber, vielen Dank.»
«.….….…»
«Schiessen Sie los, Hauser.»
«Es handelt sich um folgendes:…»
«Nicht um den Brei herumreden, Sie kennen mich: Geradeheraus, so habe ich es am liebsten. Da weiss jeder woran er ist und man verliert keine Zeit. Nun?»
«Im Januar sind es acht Jahre, dass ich..»
«Ein oder zwei Assugrin?«Danke, eigentlich nehme ich gar.….»«Wollen Sie lieber Zucker? FRAU MEIER!»
«Nein nein, lassen Sie ruhig, eigentlich wollte ich.….»
«Seien Sie nicht so bescheiden. Frau Meier, Herr Hauser hätte lieber Zucker, seien Sie doch bitte so gut. Also, im Januar sind es acht Jahre, dass?»
«Im Januar sind es acht Jahre.….»
«Sie sehen, ich höre sehr genau zu.»
«Ja.…»
«Das A und O der Führung: Zuhören, Verbesserungsvorschläge aus der Belegschaft entgegennehmen und, wenn möglich, umsetzen. So machen es die Japaner. Und die machen es ja nicht schlecht, hahaha»
«Höhö.»
«Er nimmt zwei Stück Zucker, Frau Meier. Und dann lassen Sie uns bitte allein, damit wir hier etwas vorwärtskommen. Also, wir waren bei acht Jahren.»
«Ehm.….….…»«?»
«Wie gesagt…»
«Sehen Sie, Hauser, das ist Ihr Handicap: Ihr Mangel an Dialogfähigkeit.»
Einmal erschienen am 16.12.93