Ganz im Vertrauen

„Kannst du den Mund halten?“

„Du kennst mich doch. Wie­so? Was ist?“

„Aber du hältst den Mund?“

„Klar. Sag schon.“

„Wenn es raus­kommt, weiss er, dass es von mir kommt.“

„Wer?“

„De­rungs.“

„Was ist mit ihm?“

„Ich weiss wirk­lich nicht, ob ich es dir sa­gen kann.“

„Von mir er­fährt nie­mand etwas.“

„Al­so gut: Er hat ein Verhältnis.“

„De­rungs? Der Er­fin­der der har­mo­ni­schen Ehe?“

„Seit De­zem­ber.“

„Kenn ich sie?“

„Seit dem 15. De­zem­ber, genau.“

„Ob ich sie kenne.“

„Über­leg doch: 15. Dezember.“

„Das Weih­nachts­es­sen!“

„Rich­tig.“

„Dann kenn ich sie.“

„Rich­tig.“

„Son­ja Peter?“

„Falsch.“

„Es­ther Gut?“

„Falsch.“

„Aber nicht Su­si Jordi?“

„Rich­tig.“

„Ich hab’s gewusst!“

„Ge­wusst?“

„Jetzt, wo du’s sagst, fällt’s mir ein. An­schlies­send, im „Old Lon­don“ ha­be ich noch ge­dacht: Da knistert’s zwi­schen den bei­den. – Su­si Jordi!“

„Ich hät­te es dir nicht er­zäh­len sollen.“

„Ach was, frü­her oder spä­ter kommt’s ja doch aus.“

„Aber ich will nicht schuld sein.“

„Und seit­her geht das?“

„Sie tref­fen sich bei ih­rer Schwester.“

„Nett von der Schwester.“

„Die weiss es nicht. Hos­tesse. Langstrecken.“

„Das hat er dir al­les erzählt?“

„Er muss­te mit je­man­dem dar­über re­den, hat er gesagt.“ 

„War­um ge­ra­de mit dir?“

„Viel­leicht ver­traut er mir.“

„Was ein Feh­ler war.“

„Nur, wenn du den Mund nicht hältst.“

„Mir hat er es ja nicht anvertraut.“

„Aber ich.“

„Ich mei­ne ja nur. Viel­leicht woll­te er, dass vor al­lem ich nichts da­von erfahre.“

„Wie­so soll­te er?“

„Weil er mir nicht ver­traut. Wenn er mir ver­trau­en wür­de, hät­te er es mir ja erzählt.“

„So wür­de ich das nicht interpretieren.“

„Wie denn sonst? Mich kennt er seit über sechs Jah­ren, dich erst seit knapp drei. Das ist doch ein kla­rer Misstrauensantrag.“

„Viel­leicht we­gen der Birmingham-Sache.“

„Das war vor zwei Jahren.“

„Viel­leicht ist er nachtragend.“

„Hat er et­was in der Rich­tung erwähnt?“

„Nein, es ging vor al­lem um Su­si Jordi.“

„Vor al­lem? Dann bist du jetzt al­so De­rungs Vertrauensperson.“

„Stört dich das?“

„Über­haupt nicht. Ich stel­le nur fest, dass De­rungs dir nach knapp drei Jah­ren mehr ver­traut als mir nach gut sechs. Und das sehr zu Unrecht.“

„Nur, falls du den Mund nicht hältst.“

„Du plau­derst es aus und ich hal­te den Mund. Wer von uns bei­den ist denn da der Vertrauenswürdigere?“

„Sei doch jetzt nicht sauer.“

„Ich bin nicht sau­er! Ich stel­le nur fest!“

„Dir kann man wirk­lich nichts erzählen.“

„Ach ja? Das wer­den wir ja se­hen, wem man nichts er­zäh­len kann.“

„Nur, wenn du den Mund nicht hältst.“

Nur ein­mal er­schie­nen am 29.2.96