Ein grosser Tag (für Bischof)

Seit ges­tern ist es of­fi­zi­ell: Bi­schof ist der Nach­fol­ger von Kuhn. War nicht an­ders zu er­war­ten. Hat sich lan­ge ge­nug an Nei­nin­ger her­an­ge­schleimt. „Gibt es ir­gend­ei­ne Mög­lich­keit an das Ma­nu­skript Ih­res Vor­trags zu kom­men, Herr Nei­nin­ger, oder ha­ben Sie das wie­der al­les aus dem Kopf ge­macht?“ „Wenn es nur noch ein­mal Man­zo hat, neh­me ich et­was an­de­res. Das macht mir wirk­lich nichts aus, Herr Nei­nin­ger.“ Jetzt ist er al­so Kuhns Nach­fol­ger. Brau­ne Zun­ge aber „Mit­glied des Di­rek­to­ri­ums“. Was heißt aber? Folglich!

Min­der schaut auf die Leucht­an­zei­ge des We­ckers. 03:12. Das darf doch nicht wahr sein, dass er we­gen Bi­schof ei­ne un­ru­hi­ge Nacht hat. Nicht we­gen Bi­schof! Kei­ne Mi­nu­te Schlaf rau­ben wird ihm das, falls die Bi­schof be­för­dern, hat­te er im­mer ge­sagt. Kei­ne Se­kun­de. Ist nicht sein Pro­blem. Ist Nei­nin­gers. Wenn er ei­nem Arsch­krie­cher wie Bi­schof auf den Leim geht, bitte.

BITTE!

Min­der steht auf und geht lei­se in die Kü­che. Soll er sich ei­nen Tee ma­chen oder ein Bier­chen ein­schen­ken? Bei­des ent­spannt, aber das Bier­chen macht we­ni­ger Ar­beit. Nur: wenn er sich für das Bier­chen ent­schei­det, ge­steht er sich ein, noch nicht ge­schla­fen zu ha­ben. Ein sehr spä­tes Bier­chen zum Ein­schla­fen liegt ab und zu drin, ein sehr frü­hes beim Er­wa­chen nicht. Er setzt al­so Tee­was­ser auf.

Bi­schof schläft si­cher auch nicht, denkt Min­der, wäh­rend er war­tet, bis das Was­ser kocht. Der steht im Bett vor Auf­re­gung. Der hat sich schon fünf Mal um­ge­zo­gen. Der übt gleich­gül­tig lä­cheln. Der übt tun als ob nichts wä­re. Da­bei zer­platzt er. 

Min­der nimmt ei­ne Tas­se aus dem Schrank und ei­nen Beu­tel Verv­ei­ne und stellt sich vor, wie Bi­schof platzt. Steht vor dem Spie­gel und PENG! Al­les voll Schleim. 

Min­der gießt den Tee auf. Wenn er ein Bier­chen ge­nom­men hät­te, wä­re er längst wie­der im Bett. Aber jetzt muss er noch war­ten, bis der Tee et­was abkühlt. 

Wie wird er ihm ge­gen­über­tre­ten? Am bes­ten, wie wenn nichts pas­siert wä­re, wie wenn er nicht Kuhns Nach­fol­ger wä­re son­dern im­mer noch der über­eif­ri­ge Spei­chel­le­cker Bi­schof. „Hal­lo, auch schon auf den Bei­nen“, oder so. 

Die Käl­te des Kü­chen­bo­dens kriecht ihm die Bei­ne hoch. Er hät­te Pan­tof­feln an­zie­hen sol­len. We­gen Bi­schof wird er sich kei­ne Bla­sen­ent­zün­dung ho­len. Nicht we­gen Bischof! 

Bes­ser, er tritt ihm nicht ge­gen­über, als sei nichts pas­siert. Er wird ihn bloß­stel­len als den kar­rie­re­gei­len Schlei­mer, der er ist. Er wird auf ihn zu­stür­men, er wird ihm die Hand schüt­teln, er wird ihm auf die Schul­tern klop­fen und brül­len: „Herz­li­chen, herz­li­chen, Glück­wunsch, ich weiss wie­viel das für Sie be­deu­tet, ich freue mich ja so für Sie, (und zu den Um­ste­hen­den) nicht wahr, wir freu­en uns ja so für Herrn Bi­schof, dass er es end­lich ge­schafft hat! ENDLICH GESCHAFFT HAT!“ Und dann wird er ihn in die Ar­me neh­men und ein paar Wal­zer­schrit­te durch das Per­so­nal­re­stau­rant machen.

Min­der nimmt den ima­gi­nä­ren Bi­schof in die Ar­me und legt, bar­fuß und im scho­ko­la­den­brau­nen Ca­li­da-Py­ja­ma, ein paar Wal­zer­schrit­te auf den Küchenboden. 

„Ist dir nicht gut?“ In der Tür steht Lot­ti, klei­ne Au­gen, gro­ße Lockenwickler.

„Doch war­um?“ Min­der ver­sucht, sei­nen Wal­zer in ei­ne Frei­übung um­zu­funk­tio­nie­ren. „Ma­che mir nur ei­nen Tee.“

Char­lot­te mus­tert ihn miss­trau­isch. Dann geht sie zu­rück ins Bett. „Komm schla­fen, mor­gen ist auch wie­der ein Tag.“

Min­der er­greift die Tas­se, nimmt ei­nen Schluck, ver­brennt sich den Mund, geht zum Kühl­schrank, nimmt ein eis­kal­tes Bier, stürzt es runter.

We­gen Bi­schof wird er sich kei­ne Brand­bla­sen ho­len. Nicht we­gen Bischof! 

Nur ein­mal er­schie­nen am 24.10.96


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