Das Angenehme an Kappeler
Kappeler ist ein grosser Erreicher hochgesteckter Ziele, ein eleganter Vollender kaum zu bewältigender Aufgaben, ein ungerührter Vollstrecker knallharter Massnahmen, ein Wirtschafts-Star, zwar nicht der allerersten Garde, dafür aber mit allem, was dazugehört: Launen, Exzentrik, Publizitätssucht, Rüpelhaftigkeit und schlecht sitzende Anzüge.
Er kann in Ehren ergraute Kader, von denen er hierarchisch nichts zu befürchten hat, vor versammeltem Publikum abkanzeln. Er kann mitten in einer von langer Hand vorbereiteten Strategiepräsentation laut heraus lachen, wenn der Vortragende aus Nervosität die Overhead-Folie verkehrt auflegt. Er stellt Fragen, für deren Antworten er sich nicht interessiert, er hört nicht zu, wenn man mit ihm spricht und fällt einem ins Wort, wenn er das Gefühl hat, man weiche vom Thema ab, das da lautet: Kappeler, Kappeler, Kappeler.
So rücksichtslos er anderen gegenüber sein kann, so sensibel ist er, was die Respektierung der eigenen Person angeht. Ständig liegt er auf der Lauer nach kleinsten Ansätzen der Missachtung seiner natürlichen Vorrechte, winzigsten Andeutungen der Verweigerung der Ehrerbietung, Anflügen von Kritik. Und wenn er fündig wird, was oft geschieht, ist er am Boden zerstört. Dann braucht es die ganze Hingabe seines Vorzimmers, das Einfühlungsvermögen seiner Frau Suzanne und die bedingungslose Anbetung durch seine Freundin Jana, um das zarte Pflänzchen seines Selbstwertgefühls wieder aufzurichten.
Aus Platzgründen nur soviel zu Kappelers unangenehmeren Seiten. Jetzt zum Angenehmen: Seine Gabe, die Menschen aufzuwerten.
Kappeler besitzt das grosse Talent, den Menschen, mit denen er sich umgibt, das Gefühl zu geben, etwas ganz Besonderes zu sein. Wer mit Kappeler in der Öffentlichkeit auftritt, steigt sofort in seinem eigenen Ansehen. Nicht nur deshalb, weil er das Privileg geniesst, mit jemandem vom Format eines Kappeler gesehen zu werden und so in dessen Abglanz selber auch etwas heller und strahlender dazustehen, sondern auch dank Kappelers tatkräftiger Überhöhung der Menschen in seiner Gesellschaft.
„Fritz Müller brauche ich Ihnen nicht vorzustellen“, sagt er, wenn er in der Pause eines Symposiums mit Fritz Müller angetroffen wird, der die Teilnahme am Anlass als Incentive im betriebsinternen Wettbewerb „Verkäufer des Halbjahres“ gewonnen hat. Und wenn dann der Dazugestossene zufällig nicht mit einem wissenden Lächeln dem unbekannten Fritz Müller die Hand reicht, sondern etwas Nachhilfe braucht, ergänzt Kappeler: „Einer der wirklich ganz grossen Verkaufspsychologen, denen ich in meiner Laufbahn begegnet bin.“
Der Hospitant der Wirtschaftszeitung, der auf Druck von Kappeler Kappeler zur Vertiefung von Kappelers jüngster Pressemitteilung bei einem Mittagessen in einem Prominentenlokal interviewt, wird als „die wohl vielversprechendste Feder im modernen Wirtschaftsjournalismus“ vorgestellt.
Zu allen, mit denen sich Kappeler zeigt, fällt ihm etwas ein, das sie über den Durchschnitt hinaushebt. „Einer der grössten Ballettkenner im Controlling.“ „Wahrscheinlich DIE Kapazität auf dem Gebiet der Firmenbroschüren.“ Oder: „Bewohnt die vielleicht schönste Dreizimmerwohnung in ganz Effretikon.“
Meistens verstösst Kappeler die Hochgejubelten danach wieder in die ihnen angemessene Bedeutungslosigkeit. Aber für die Dauer des öffentlichen Auftritts verleiht er auch dem Geringsten in seiner Entourage Gewicht und Ansehen.
Dass er das nur zur Pflege der eigenen Bedeutung tut – ein Kappeler umgibt sich nicht mit Nobodys – das gehört wiederum eher zum Unangenehmen an Kappeler.
Nur einmal erschienen am 26.9.96