Achermann ein Jasager?

Von sich aus hät­te sich Acher­mann nie mit der Fra­ge be­fasst. Der An­stoß da­zu kam von Kä­gi, der zu je­man­dem, des­sen Stim­me er nicht iden­ti­fi­zie­ren konn­te, im An­schluss an die Ge­schäfts­lei­tungs­sit­zung in der Her­ren­toi­let­te sag­te: „Wenn sich Grob nicht aus­schließ­lich mit Ja­sa­gern um­ge­ben wür­de, wür­de er viel­leicht we­ni­ger Scheis­se bau­en.“ Was der an­de­re ant­wor­te­te, ging im Ge­blä­se des Hand­trock­ners un­ter. Wohl et­was Bei­pflich­ten­des, denn Kä­gi lach­te und sag­te: „Das kannst du zwei­mal sagen.“ 

Falls er das ge­tan hat, dann erst, als die bei­den schon wie­der drau­ßen wa­ren. Acher­mann war­te­te ei­nen Mo­ment. Dann ver­ließ er sein WC-Ab­teil. Seit­her be­schäf­tigt ihn die Frage.

Nicht, dass er die Mög­lich­keit, tat­säch­lich ein Ja­sa­ger zu sein, ernst­haft in Er­wä­gung zieht. Acher­mann hasst Ja­sa­ger. Ja­sa­ger sind Leu­te, die kei­ne ei­ge­ne Mei­nung ha­ben. Oder, noch schlim­mer, die­se ih­rer Kar­rie­re op­fern. Bei­des trifft auf ihn in keins­ter Wei­se zu. Trotz­dem: „Wenn sich Grob nicht aus­schließ­lich mit Ja­sa­gern um­ge­ben wür­de“ schließt ihn mit ein. Wenn sich Grob mit je­man­dem um­gibt, dann in ers­ter Li­nie mit ihm, Acher­mann. Viel­leicht noch mit Ruf­li, even­tu­ell ist Stürm noch da­zu­zu­rech­nen, aber da­mit hat es sich. Das heisst, er muss mit­ge­meint ge­we­sen sein. „Aus­schließ­lich mit Ja­sa­gern“, hat­te Kä­gi ge­sagt. Bei Ruf­li wür­de er das ja noch un­ter­schrei­ben. Schon mehr als ein­mal hat­te er ihn in Ver­dacht, dass er Grob ge­gen sei­ne in­ne­re Über­zeu­gung zu­stimmt. Auch bei Stürm wür­de er ei­ne ge­wis­se Nei­gung zum Ja­sa­ger nicht von vorn­her­ein aus­schlie­ßen. Aber er, Achermann? 

Viel­leicht liegt es dar­an, dass er tat­säch­lich meis­tens auf der glei­chen Li­nie wie Grob liegt. Sie den­ken gleich, folg­lich re­den sie gleich, und weil sie nicht zu den Ma­na­gern ge­hö­ren, die an­ders han­deln, als sie re­den, han­deln sie auch gleich. Je­der in­ner­halb des ihm zu­ge­wie­se­nen hier­ar­chi­schen Spiel­raums, ver­steht sich.

Wenn Acher­mann auf ge­wis­se Leu­te als Ja­sa­ger wirkt, muss das ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem sein. Es ge­lingt ihm of­fen­bar nicht zu kom­mu­ni­zie­ren, dass sei­ne Mei­nung un­ab­hän­gig von der Tat­sa­che, dass Grob der CEO ist, mit der von Grob über­ein­stimmt. Das Sit­zungs­pu­bli­kum kann nicht nach­voll­zie­hen, wie sich Acher­manns Mei­nung selbst­stän­dig formt und bil­det, weil der Vor­gang syn­chron mit dem von Grob ab­läuft, zum glei­chen Zeit­punkt ab­ge­schlos­sen ist und in al­ler Re­gel zum glei­chen Re­sul­tat führt. 

Acher­mann kann sich vor­stel­len, dass ein sehr un­sen­si­bler Be­ob­ach­ter die­sen Pro­zess ver­wech­seln könn­te mit dem, der in Ruf­li und be­dingt auch in Stürm vor­geht: Ab­war­ten, wel­che Mei­nung sich Grob ge­bil­det hat, um sie dann be­din­gungs­los zu teilen.

Er sel­ber hat sich sei­ne Mei­nung meis­tens schon ge­macht, be­vor Grob die sei­ne äu­ßert. Was kann er da­für, dass er sie aus hier­ar­chi­schen Grün­den nie als ers­ter äus­sern darf? 

Acher­mann nimmt sich vor, sei­nen un­be­ein­fluss­ten Mei­nungs­bil­dungs­pro­zess in Zu­kunft mi­misch bes­ser zu un­ter­ma­len. In­ner­lich zu Schlüs­sen kom­men und die­se dann aus­drucks­voll in­ner­lich wie­der ver­wer­fen. Den Mo­ment der end­gül­ti­gen Mei­nungs­fin­dung mit ei­nem Ni­cken si­gna­li­sie­ren und sich dann os­ten­ta­tiv ab­ge­lenkt geben.

Und wenn er den Mei­nungs­bil­dungs­pro­zess mi­misch im Griff hat, wird er sich dem spon­ta­nen, mit Grob syn­chro­ni­sier­ten Mei­nungs­än­de­rungs­pro­zess zuwenden. 

Acher­mann ein Ja­sa­ger? Nein! 

Nur ein­mal er­schie­nen am 29.5.97


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