Human Resource Management II

Genau genommen war es Bodenmann gewesen, der Wunderli gedrängt hatte, im Verkauf und Marketing etwas Entscheidendes zu unternehmen. Und sei es etwas Personelles. Bodenmann hatte auch den Kontakt mit Edwin K. Semper geknüpft, dem Headhunter. Und er war es auch gewesen, der gesagt hat: „Den müssen Sie reinholen“, als der Name Weinmann fiel, dessen Reputation er kannte.
So war er jetzt natürlich gespannt, was Wunderli über den Verlauf des ersten Gesprächs zu berichten hat.
„Jedenfalls wirkt er interessiert“, sagt Wunderli, als er hinter seinem Pult Platz nimmt.
„Ach, das ist ja erfreulich, erzähl“, strahlt Bodenmann. Nummer eins und Nummer zwei duzen sich seit fünf Jahren.
„Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Der Mann scheint kompetent und die Chemie stimmt.“
„Seid ihr konkret geworden?“
„Das konkreteste Ergebnis ist: wir treffen uns in drei Tagen wieder.“
Bodenmann schüttelt ungläubig den Kopf. Weinmann bei Schäufele & Stutz ausspannen, das gibt zu schreiben in der Fachpresse. „Interessiert zu unseren Bedingungen?“, fragt er noch.
Das ist der Moment. „Nun, der Mann weiss schon, was er will.“ Guter Einstieg.
„Das ist normal. Wir haben ja auch etwas Verhandlungsspielraum. Wo weicht ihr ab?“
Er will, dass ich ihn dir vor die Nase setze, denkt Wunderli. Sagen tut er: „Salär- und Organigrammpunkte.“
„Breaking Points oder lösbar?“
Wunderli überlegt. Pack die Gelegenheit, denkt er. „Lösbar.“
„Wo liegt er?“
„Vierzig Prozent drüber.“
„Vierzig Prozent!“ Bodenmann rechnet. „Dann läge er ja über mir.“
Jetzt! Kostbare Sekunden verstreichen. Dann sagt er bloss: „Hab ich auch gesagt.“
Bei Wunderlis nächstem Treffen mit Weinmann, wieder in der Tiffany Bar, machen sie Nägel mit Köpfen. Beide haben ein Papier vorbereitet, auf dem sie ihre Punkte abhaken. Über die meisten einigen sie sich rasch: Ferien, Firmenwagen, Beletage. Einzig in der Salärfrage besteht eine kleine Diskrepanz, die sie aber mit Fringe Benefits und Bonus überwinden.
Wunderli bestellt für beide ein Cüpli und sie verabreden sich für die Vertragsunterzeichnung bei Edwin K. Semper.
Beim Verlassen der Bar fragt Weinmann: „Wie hat es Bodenmann aufgenommen?“
„Er freut sich auf die Zusammenarbeit.“
„Und?“, fragt Bodenmann, als Wunderli zurück ist.
„Geritzt“, lächelt Wunderli.
Bodenmann geht auf ihn zu und schüttelt ihm überschwänglich die Hand: „Gratuliere. Und die Differenzen?“
„Da musste ich etwas entgegenkommen.
„Als Bodenmann die (etwas geschönten) Zahlen hört, die ihm Wunderli nennt, ist seine Stimmung etwas gedämpfter. Der Mann kommt gefährlich nahe an ihn heran. Aber, tröstet er sich, damit habe ich für die nächste Lohnrunde etwas in der Hand. Wunderli ist sehr zufrieden mit sich. Nur manchmal fragt er sich, ob sich Bodenmann über die hierarchischen Konsequenzen der Neueinstellung ganz im Klaren ist. Der Mann hat nämlich eine Tendenz, unangenehme Fakten schlicht nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Um sicherzugehen, informiert Wunderli nach Ablauf der Sperrfrist die Fachpresse persönlich.
„Weinmann von Schäufele & Stutz die neue Nummer zwei bei Wunderli“, liest Bodenmann ein paar Tage später.
Erschienen am 25.4.96