Hohe Personalpolitik
Hohe Personalpolitik
„Etwas Besonderes unter ‘Personelles’?“ fragt Stettler zerstreut. Die Sitzung ist für ihn eigentlich beendet und er ist im Geiste schon beim nächsten Termin: Rotarylunch mit einem schwedischen Drogenfachmann als Gastredner.
„Kern hat gekündigt“, meldet Benz.
„Kern?“ stößt der Generaldirektor ungläubig hervor, „ich dachte, der sei so gut?“
„Kern ist der beste, den ich je hatte“, bestätigt Benz, zufrieden mit der Wirkung seiner Mitteilung.
„Na also, dann hat der doch keinen Grund zu kündigen?“
Straub, die Number Two, mischt sich ein. „Hatten wir nicht an der letzten GL Kerns Beförderung zum Vizedirektor beschlossen?“
Stettler lässt Straub ausreden. Dann fragt er: „Hatten wir nicht an der letzten GL Kerns Beförderung zum Vizedirektor beschlossen?“
„Zum jüngsten Vizedirektor, den die Unternehmung je hatte“, präzisiert Benz.
„Und?“ fragt Stettler. „Und?“ echot Straub.
Benz zieht die Brille aus und massiert sich mit Daumen und Zeigefinger Augendeckel und Nasenrücken. Dann wendet er seinen frisch umflorten Blick Stettler zu. „Wie gesagt, er hat gekündigt.“
„Was gibt er für Gründe an?“ will Straub wissen.
„Ein besseres Angebot.“
„Von ..?“
„Von wem sonst“, nickt Benz.
Eine Weile Schweigen. Dann wird Stettler sachlich: „Schafft uns das Probleme?“
„Natürlich. Nachfolgeprobleme. In sechs Wochen ist er weg; drei Monate Kündigungsfrist, sechs Wochen Ferienguthaben.“
„Als Vizedirektor hat er doch fünf Monate“, wirft Straub ein.
„Er ist nicht Vizedirektor, er wäre es nur geworden. Wenn er nicht gekündigt hätte“, korrigiert Benz.
„So sicher wäre ich mir da gar nicht“, lässt sich Stettler vernehmen. Die beiden schauen ihn fragend an. „Mit dem Vizedirektor. Ich meine, einen, der sich so leicht abwerben lässt, macht man ja nicht gleich zum Vizedirektor. Von einem Vizedirektor wird ein Minimum an Loyalität erwartet.“
„Es war ein Geschäftsleitungsbeschluss“, wendet Benz ein.
„Das wäre nicht der erste Geschäftsleitungsbeschluss, den wir umstoßen.“
Da hat Stettler allerdings recht. Die kleine Runde freundet sich mit dem neuen Aspekt an. „Sollen die ihn doch zum Vizedirektor machen“, sagt Straub verächtlich.
Benz setzt die Brille wieder auf und schaut auf seine Notizen. „Soviel ich weiß, wird er dort Direktor.“
„Direktor? Spricht nicht gerade für deren Loyalitätsanforderungen an ihr oberes Kader“, bemerkt Stettler süffisant.
„Bei uns kann einer noch so gut sein: wenn er Probleme mit der Loyalität hat, kommt er nicht weiter“, verkündet Straub.
Stettler wendet sich an Benz: „Wie gut ist Kern tatsächlich? Ich meine, der Loyalitätsaspekt wird ja in unserem Qualifikationssystem sehr hoch gewichtet.“
„Nun, nach heutigem Erkenntnisstand wäre ein Fragezeichen allerdings …“
Stettler unterbricht ihn: „Eben. Meine Herren, ich weiß, die Entscheidung ist hart, aber wir können uns in der heutigen Situation keine Kaderschwachstellen leisten: Wir trennen uns von Kern.“
Interne Verbindungen
„Toggwiler.»
«Ist da nicht Gubser?»
«Nein, Toggwiler.»
«Schädler. Ich wollte eigentlich Herrn Gubser.»
«Da sind Sie falsch. Hier ist Toggwiler, 2345.»
«Dann bin ich falsch verbunden worden.»
«Macht nichts. Schönen Tag noch.»
«Könnten Sie mich nicht mit Herrn Gubser verbinden?»
«Gubser? Haben Sie seine interne Nummer?»
«Nein, ich bin über die Zentrale hereingekommen.»
(Seufzer) «Moment.De, Ef, Ge, Gu, Gu, Gubelmann, Gubler. Da: Gubser. Sind Sie noch da?»
«Ja.»
«Wir haben zwei Gubser. Wissen Sie den Vornamen? Hansueli oder Stefan?»
«Keine Ahnung. Hier steht nur: Setzen Sie sich mit unserem Herrn Gubser in Verbindung.»
«Schauen Sie mal bei <Unser Zeichen>, oben rechts. Steht da Gu oder Guh?»
«Str.»
«Wieso Str? Ich meine oben rechts bei < Unser Zeichen>.»
«Ja, da steht Str. Es, Te, Er. Str.»
«Qu, Er, Es, EsCeHa, EsTe, Str, Str, Sträuli, Strebei, Strub, Strub hat Str. 2281, Moment, ich verbinde.» (Pip-Pip-Pep Pop. Pause)
«Hallo?»
«Ja, ich hin noch dran.»
«Wieso? Ach so, der rote Knopf. Moment:» (Pip-Pip-Pep-Pop. Tüüt. ‑Tüüt.)
«Kramer?»
«Ist da nicht Strub?»
«Nein, Herr Strub ist in den Ferien.»
«Vertreten Sie ihn?»
«Kommt drauf an. Um was geht es?»
«Ich habe hier einen, der Strub sprechen möchte.»
«Hat er gesagt, worum es sich handelt ?»
«Nein, er wurde einfach falsch verbunden.»
«Haben Sie wenigstens seinen Namen ?»
(Seufzer) « Moment.» (Roter Knopf) « Sind Sie noch da ?»
«Ja.»
«Wie war Ihr Name?»
«Schädler.»
«Strub ist in den Ferien, ich verbinde Sie mit Frau Kramer.» (Pip-Pip-Pep-Pop. Tüüt. ‑Tüüt.)
«Erb.»
«Ich wollte eigentlich Frau Kramer.»
«Die ist gerade extern besetzt.»
«Hören Sie, ich spiele hier seit einer Viertelstunde Telefonistin. Tun Sie mit den Gefallen und nehmen Sie Herrn Schädler für Frau Kramer.»
«Gerne.» (Pause)
«Aber Sie nehmen ihn ja gar nicht.»
«Ich dachte, Sie geben ihn mir. Muss ich etwas machen? Ich bin neu.»
«Auf den roten Knopf drücken.»
«Erb.»
«Schädler. Ist da nicht Kramer?»
«Nein. Frau Kramer ist extern besetzt.»
«Dauert das länger? Ich bin auch extern.»
«Moment.» (Pause) «Klingt nach länger“. Soll ich Sie an die Zentrale geben?»
«Gerne.» (Pip-Pip-Pip. Pause)
«Hallo?»
«Ja, ich bin noch dran. Der rote Knopf.»
«Ach so.» (Tüüt. ‑Tüüt.)
«Zentrale.»
«Ich wollte Herrn Strub, aber er sei in den Ferien.»
«Ja, ich verbinde Sie mit seiner Ferienvertretung, Herrn Gubser.»
(Tüüt. ‑Tüüt.)
«Toggwiler.»
Diese beiden Kolumnen sind 28 Jahre alt.