Ein Gebot der Nächstenliebe

Das sind die einsamsten Momente im Leben eines Managers: Wenn er die Entscheide fällen muss, die den menschlichen Bereich berühren: Personalentscheide, Gehaltsentscheide. Dann beneidet ihn niemand, dann sagt keiner, „was der kann, kann ich auch“. Dann sitzt er in seinem Büro, auf dessen Aussicht sonst alle eifersüchtig sind, oder hinter dem Steuer seines Wagens, den ihm sonst alle missgönnen und wünscht sich einen Menschen, der ihm einen Teil seiner Last abnehmen kann, einen, der ihm sagt „komm, ich helf’ dir ein wenig tragen.“ Aber keiner kommt. In solchen Momenten ist der Manager ganz allein. Besonders jetzt, so kurz vor Weihnachten.
Kienast sitzt an seinem Pult, durch dessen dicke Glasplatte er den schweren Flanell seiner Hose sehen kann und die tadellos polierten Spitzen seiner Bally-Schuhe, die man in seinen Kreisen aus Solidarität wieder trägt. Vor ihm liegen die Zahlen. Schöne Zahlen. Wunderbare Zahlen. Zahlen, wie man sie in diesem Haus vor seiner Zeit nie und seit seiner Zeit auch nicht allzu oft gesehen hat. Zahlen, die verpflichten.
Kienast reisst sich los. Ein Manager darf sich zwar schon einen klitzekleinen Augenblick lang am Erreichten freuen, aber dann hat er sich wieder voll auf das noch zu Erreichende zu konzentrieren. Und was kann das anderes sein als: noch schönere Zahlen?