Dienen muss der Manager

Maienfelder ist ein Manager der alten Schule. Er ist sich bewusst, dass ein Unternehmen eine soziale Verantwortung trägt. Er sieht die Menschen vor sich, deren Schicksal untrennbar verbunden ist mit dem Gedeihen der Unternehmung und kann sich in sie hineinversetzen.
Zum Beispiel in Frau Lang-Schuppli, 62, Witwe, deren Anwesen „Ried“, 18’000 m2, alter Baumbestand, 16 Zimmer, Seeanstoss, ein unglaublicher Klotz am Bein ist. Kaum ist die Fassade gemacht ist auch schon das Dach fällig, kaum ist das Mahagoni-Boot aus der Reederei zurück, faulen die Pfähle des Bootshauses. Ein ständiger Kampf.
Oder er versetzt sich zum Beispiel in Marc Benninger, 48, geschieden. Wer weiss schon, was Pferde kosten! Kaum trennt er sich von „Who knows“, 7, verliebt er sich in die dreijährige Stute „Ma Belle“, kaum verdient „Blizzard“ in Longchamps ein paar Francs, muss „Blue Boy“ sich einer dreistündigen Operation mit ungewissem Ausgang unterziehen. Das sind Fixkosten, von denen sich nur die wenigsten eine Vorstellung machen.
Oder ein ganz anderes Beispiel: Forster Hanspeter, 58, verheiratet, drei Kinder, alle noch in Ausbildung. Das jüngste, Aimée, 32, studiert in Übersee an der UCLA, Drama und Töpfern, das älteste, Jack, 39, will erst einmal die Welt sehen, bevor es sich entscheidet, das mittlere, Luc, 35, ist seit Jahren in psychiatrischer Behandlung als Folge einer unüberlegten Geschlechtsumwandlung. Alle drei sind noch hundertprozentig auf Vaters finanzielle Zuwendung angewiesen, bei allen drei reden wir von namhaften Beträgen, besonders bei Jack, der seinerseits ebenfalls schon in drei Fällen unterhaltspflichtig ist. Und damit ist noch kein Wort gesagt über ÔSÉ, in Erlenbach, St. Moritz, Lugano, die Boutique-Kette seiner Frau, deren Jahresverlust Hanspeter Forster seit 1986 im Sinne einer Starthilfe jeweils auszugleichen pflegt. Unglaubliche Belastungen für einen Familienvater.
Das sind nur drei Beispiele aus einer langen Liste von Abhängigen, für die sich Maienfelder verantwortlich fühlt. Menschen, die vertrauensvoll einen Teil ihrer Mittel in seine Obhut gegeben haben, damit er sie (nicht zuletzt unter Verwendung des Unternehmens und dessen Personals) vermehre. Menschen, die sich voll und ganz darauf verlassen, dass er, Maienfelder, sie nicht mit leeren Händen dastehen lässt angesichts der ständig steigenden Lebens- und Pferdehaltungskosten.
Maienfelder ist stolz auf dieses Vertrauen und nimmt die Aufgabe ernst, es zu rechtfertigen. Denn er weiss, wie grobmaschig das soziale Netz für den Gewinnausschüttungsabhängigen ist. Meistens muss dieser ja von der dritten Säule leben und niemand zahlt ihm Stempelgeld, wenn diese nicht einmal genug abwirft, um den Bereiter zu bezahlen. Der Lohnempfänger ist dem Dividenenempfänger eben auch in dieser Hinsicht überlegen. Ganz abgesehen davon, dass er eine Einkommenseinbusse viel flexibler handhaben kann, da er ja in der Regel auch fixkostenmässig im Vorteil ist.
Maienfelder führt also das Unternehmen streng gewinnorientiert, was in harten Zeiten wie diesen vor allem kostenorientiert bedeutet, und behält bei Investitionsentscheidungen stets die Dividendengerechtigkeit im Auge. Bereiche, die weniger als 15 Prozent Gewinn erwirtschaften, stören sein soziales Rechtsempfinden und werden kostenoptimiert oder ganz abgebaut. Natürlich entstehen dabei auch soziale Härtefälle unter den Lohnabhängigen. Maienfelder nimmt auch diese nicht auf die leichte Schulter. Aber er ist der Meinung, (und tut diese gegebenenfalls auch kund) dass in schweren Zeiten alle bereit sein müssen, Opfer zu bringen.
Auch und gerade das Opfer der Solidarität gegenüber dem Anteilseigner.
Nur einmal erschienen am 4.7.96