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Dies ist ein rie­si­ges Ar­chiv von fast al­lem, was Mar­tin Su­ter ge­macht hat, ge­ra­de macht und noch ma­chen will. Sie ha­ben zu bei­na­he al­lem da­von un­be­schränk­ten Zu­gang. Und wenn Sie Mem­ber wer­den, zu noch et­was mehr.

Die Höflichkeit der Könige

Vom Bü­ro zum Lei­nen­hof muss man im Mit­tags­ver­kehr mit et­wa ei­ner hal­ben Stun­de rech­nen. Sa­gen wir, zur Si­cher­heit, vier­zig Mi­nu­ten. Es muss nur ei­ne neue Bau­stel­le ent­stan­den sein, dann sind zehn Mi­nu­ten schnell weg.

Zwölf Uhr drei­ßig im Lei­nen­hof mi­nus vier­zig Mi­nu­ten, das heisst zehn vor zwölf ist Ab­fahrt spä­tes­tens. Al­so ein Ta­xi auf vier­tel vor zwölf. Eher et­was frü­her, falls es sich ver­spä­tet. Bän­zi­ger ruft im Emp­fang an und be­stellt ein Ta­xi auf zwan­zig vor zwölf.

Kurz dar­auf ruft er noch­mals an und än­dert die Zeit auf fünf nach halb zwölf. Da kann man noch so pünkt­lich sein, wenn der an­de­re schon dort ist, wirkt man im­mer wie zu spät. Der, der schon dort ist, ist im­mer im Vor­teil. Der Tisch, an dem er sitzt, ist dann sein Tisch. Der an­de­re muss sich zu ihm setzen.

Und der, der zu­erst dort ist, be­kommt den bes­se­ren Platz, weil er ja so sit­zen muss, dass er das Lo­kal über­blickt und auf sich auf­merk­sam ma­chen kann, wenn der an­de­re kommt. Der an­de­re muss dann auf die Uhr schau­en und sa­gen: „ Nicht wahr, wir hat­ten halb eins gesagt?“

Und der, der schon dort ist, kann dann oh­ne auf die Uhr zu schau­en nach­sich­tig ab­win­ken und „macht nichts, so konn­te ich end­lich die Zei­tung le­sen“ sagen.

Noch bes­ser: Man hat schon ein halb lee­res Mi­ne­ral­was­ser vor sich ste­hen. Dann muss der Pünkt­li­che fra­gen: „Sind Sie schon lan­ge hier?“ Und der zu Frü­he kann ant­wor­ten: „Nein, ge­ra­de gekommen.“

So ge­se­hen soll­te Bän­zi­ger das Ta­xi viel­leicht schon auf elf Uhr drei­ßig be­stel­len. Das gibt ihm auch im Fal­le sei­nes worst ca­se sce­na­ri­os ge­nug Spiel­raum, um sich gleich beim Ein­tref­fen ein Mi­ne­ral­was­ser zu be­stel­len und es so­fort halb leerzutrinken.

Um fünf vor halb mel­det der Emp­fang, das Ta­xi sei da. Bän­zi­ger lässt dem Fah­rer aus­rich­ten, er sol­le warten.

Denn all­zu früh dort sein, ist na­tür­lich auch nicht gut. Falls der an­de­re ei­nen er­wischt, wie man schon ei­ne Vier­tel­stun­de vor der ver­ab­re­de­ten Zeit auf ihn war­tet, denkt der, man ha­be nichts zu tun. Oder man kön­ne ihn kaum er­war­ten. Ein Ein­druck, den Bän­zi­ger ge­ra­de ge­gen­über Mei­er­hans um je­den Preis ver­mei­den will. Ein schma­ler Grat liegt zwi­schen War­ten und Er­war­ten. Man muss schon ein gu­tes Ge­spür da­für ha­ben, ab wann schon dort zu sein auch et­was Un­ter­wür­fi­ges ausstrahlt.

Es gibt kei­ne neue Bau­stel­le, im Ge­gen­teil: Al­le al­ten schei­nen ver­schwun­den. Und der Mit­tags­ver­kehr hat auch noch nicht ein­ge­setzt. Ei­ne hal­be Stun­de vor der ver­ab­re­de­ten Zeit steigt Bän­zi­ger aus dem Ta­xi. Zwan­zig Mi­nu­ten ver­bringt er da­mit, ziel­stre­big au­ßer Sicht­wei­te des Re­stau­rants auf und ab zu ge­hen. Dann geht er ins Lo­kal, sucht sich ei­nen Platz und be­stellt Zei­tung und Mineralwasser.

Die Sa­che läuft her­vor­ra­gend. Mei­er­hans kommt nicht nur nach ihm, er kommt so­gar zu spät.

Er kommt so­gar viel zu spät. Um vier­tel vor eins wird Bän­zi­ger un­ru­hig. Stimmt der Ort? Stimmt die Zeit? Er zieht un­auf­fäl­lig die Agen­da aus der Ja­cken­ta­sche. Doch, hier steht es. Mitt­woch, zwölf Uhr drei­ßig, Lei­nen­hof: Meierhans.

Noch zehn Mi­nu­ten gibt er ihm Zeit, dann winkt er dem Kell­ner. „Ich glau­be, ich be­stel­le schon mal. Was ist das Ta­ges­me­nu?“ „Man­zo Bra­sa­to, wie je­den Donnerstag.“

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