×

Dies ist ein rie­si­ges Ar­chiv von fast al­lem, was Mar­tin Su­ter ge­macht hat, ge­ra­de macht und noch ma­chen will. Sie ha­ben zu bei­na­he al­lem da­von un­be­schränk­ten Zu­gang. Und wenn Sie Mem­ber wer­den, zu noch et­was mehr.

Die Abschaffung der Hierarchien

Die Vi­si­ten­kar­te ist ja nicht di­rekt ein Füh­rungs­in­stru­ment“, gibt Bur­ger zu be­den­ken, „ich mei­ne, ge­gen in­nen. Es geht ja mehr dar­um, dass sich der ex­ter­ne Ge­sprächs­part­ner auf der rich­ti­gen Hier­ar­chie­be­ne wiederfindet.“

„Von de­nen ha­ben die meis­ten die Hier­ar­chien längst ab­ge­schafft“, wen­det Eris­mann ein, „wir hin­ken wie­der hintendrein.“

„Ge­gen aus­sen. Ge­gen in­nen ganz be­stimmt nicht. Die sind doch nicht blöd.“ Die­se Ver­schär­fung des To­nes stammt von Schäff­ler, der den kon­ser­va­ti­ven Flü­gel der Un­ter­neh­mens­lei­tung ver­tritt. „Die ha­ben die Ti­tel auf den Vi­si­ten­kärt­chen weg­ge­las­sen. Und sonst bleibt al­les beim al­ten. Die sind doch nicht blöd“, fügt er noch ein­mal, dies­mal mit et­was mehr Nach­druck hinzu. 

Eris­mann hakt hier ein: „Eben weil sie nicht blöd sind, ha­ben sie ein­ge­se­hen, dass die spit­zen Hier­ar­chien über­holt sind.“

„Auf den Vi­si­ten­kärt­chen kann man sie ja las­sen“, be­harrt Bur­ger, der vor Jah­ren die ame­ri­ka­ni­schen Ti­tel in­iti­iert und durch­ge­setzt hat, und zieht so die Auf­merk­sam­keit sei­nes Li­ni­en­vor­ge­setz­ten Schle­gel auf sich. „Wenn schon denn schon“, sagt er bos­haft. „Ich kann auf mei­nen Se­ni­or Exe­cu­ti­ve Pre­si­dent verzichten.“

Schäff­ler wirft Schle­gel ei­nen an­er­ken­nen­den Blick zu und wech­selt die Tak­tik. „Viel­leicht ha­ben Sie recht. Wenn schon denn schon. Wenn wir auf den Vi­si­ten­kärt­chen kei­ne Ti­tel mehr  füh­ren, kön­nen wir den Sach­be­ar­bei­ter zum Ge­ne­ral­di­rek­tor schi­cken. Das spart ei­ne Men­ge Personal.“

Schle­gel ver­beisst sich ein Lä­cheln über die Ab­sur­di­tät des Ge­dan­kens und nickt ernst­haft. Eris­mann wird ganz eif­rig. Das ist das ers­te Mal, dass ein Mo­der­ni­sie­rungs­vor­schlag von ihm in die­ser Run­de ernst­haft dis­ku­tiert wird. Der Durchbruch!

„Ge­nau. Aber nicht nur das. Die Ab­schaf­fung der Hier­ar­chien för­dert auch den Team­geist. Und dem Team ge­hört die un­ter­neh­me­ri­sche Zukunft.“ 

Die Frak­ti­on Schlegel/Schäffler wird durch Eris­manns Re­ak­ti­on in Ver­le­gen­heit ge­bracht. Sie steht vor der Wahl, ent­we­der dar­auf zu ver­zich­ten, den Ti­tel­jä­ger Bur­ger nicht wei­ter zu frot­zeln, oder die­sen klei­nen Na­tio­nal­öko­no­men Dr. Eris­mann, der ih­nen vom Ver­wal­tungs­rat aufs Au­ge ge­drückt wur­de, ei­ne Art wie ernst zu neh­men. Das Pro­blem ist das Kos­ten­ar­gu­ment, das Schäff­ler scherz­haft ins Ge­spräch ge­bracht und Eris­mann schlau auf­ge­nom­men hat. Kos­ten­ar­gu­men­te sind in letz­ter Zeit schwer vom Tisch zu krie­gen. Aber noch ehe sich die Frak­ti­on ab­stim­men kann, mel­det sich der be­un­ru­hig­te Bur­ger mit ei­nem Ver­zweif­lungs­vor­schlag: „Wir ge­ben ver­schie­de­ne Vi­si­ten­kärt­chen her­aus Für je­de Mit­ar­bei­te­rin und je­den Mit­ar­bei­ter meh­re­re Hier­ar­chie­stu­fen. Ge­gen in­nen die Hier­ar­chien ab­schaf­fen, ge­gen aus­sen die Hier­ar­chien fle­xi­bi­li­sie­ren. Das spart auch Personalkosten.“ 

Was als harm­lo­ses Ge­plän­kel zum Amü­se­ment der bei­den Alt­her­ren der Füh­rungs­ebe­ne be­gon­nen hat, ist nun plötz­lich zu ei­nem ex­plo­si­ven The­ma ge­wor­den: Kos­ten­sen­kung durch Hier­ar­chie­ab­bau. Schäff­ler er­kennt die Si­tua­ti­on und sagt das Rich­ti­ge: „Wie wol­len Sie Kos­ten spa­ren, wenn Sie den Leu­ten mehr Lohn zah­len müs­sen an­statt sie ein­fach zu befördern?“

Da­mit hat er Bur­gers en­thu­si­as­ti­sche Zustimmung. 

Aber Eris­mann gibt nicht so schnell auf. Er lenkt erst ein, als Schle­gel (gu­ter al­ter Schle­gel!) zum Schein nach­gibt und sagt: „Aber dann schaf­fen wir die aka­de­mi­schen Ti­tel auf den Vi­si­ten­kärt­chen auch ab. Wenn schon, denn schon.“

Ein­mal er­schie­nen am 12.8.93


×
Login

Passwort wiederherstellen

Member werden
Member werden für 60 Franken pro Jahr
Probezugang

Falls Sie einen Code besitzen, geben Sie diesen hier ein.

Gutschein

Martin Suter kann man auch verschenken.
Ein ganzes Jahr für nur 60 Franken.
Versandadresse: