Beim Frühstück
Aerni sitzt alleine beim Frühstück. Gestern ist es spät geworden und heute ist Samstag. Als er aufstand, lag auf dem Frühstückstisch ein Zettel: „Guten Morgen, Schatz, bin schon mal einkaufen gegangen. Janine.“
Joël, 9, kommt herein, angelt sich ein Croissant und studiert seinen Vater. Nach einer Weile fragt er: „Was genau macht ein Abzocker?“
Das ist eben Quality Time, denkt Aerni. Sich bei einem späten Frühstück mit seinem Sohn über Zeitphänomene unterhalten. „Abzocker sind Manager, die sich an der Firma, die sie managen, bereichern.“
Joël tunkt das Croissant in den Kaffee seines Vaters. „Was ist bereichern?“
„Geld nehmen.“
„Das tust du doch auch.“
„Nein, ich verdiene es. Bereichern heißt, mehr Geld nehmen, als man verdient. Viel mehr.“
„Wie Noahs Papi?“
„Ich kenne Noahs Papi nicht. Hat er viel Geld?“ Aerni nimmt einen Schluck Kaffee. „Da ist dir etwas von deinem Croissant hereingefallen. Nimm dir eine eigene Tasse, wenn du tunken willst.“
„Ich darf keinen Kaffee.“
„Sehr vernünftig.“
„Noahs Papi hat fünfzig Millionen.“
„Wer sagt das?“
„Noah. Wenn sie in die Ferien gehen, fliegen sie mit dem Privatjet.“
„Soso.“
„Und er hat acht Autos.“
„Soso.“ Aerni geht in die Küche, spült die Tasse aus, kommt zurück und füllt sie mit frischem Kaffee.
„Und einen Ferrari Testarossa bestellt.“
„Das freut mich für Noahs Papi.“
Joël mustert ihn skeptisch. „Könntest Du auch mehr Geld nehmen als du verdienst?“
„Dazu bin ich nicht hoch genug.“
„Wie hoch muss man sein?“
„Am besten der Höchste.“
Joël überlegt. „Dann ist der Abzocker also der Höchste?“ Er tunkt sein Croissant in Aernis Kaffee.
„Du sollst dir eine eigene Tasse nehmen“, fährt ihn Aerni an.
Joël steht auf und will aus dem Zimmer. „Halt!“ ruft Aerni. „Weshalb interessierst du dich für Abzocker?“
„Wir müssen einen Aufsatz schreiben.“
„Über Abzocker?“
„Nein. ‘Was ich einmal werden möchte.’“
Nur einmal veröffentlicht am 30.1.03