Arbeit versus Familie
„Sitzt du?“
„Moment. – So. Schiess los.“
„Holberger wurde rausgeschmissen.“
„Von Kolb?“
„Von seiner Frau.“
„Ach.“
„Wohnt jetzt im ‘Seeblick’.“
„So.“
„Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“
„Kann ja passieren.“
„Ja willst du denn nicht wissen, warum?“
„Also gut: warum?“
„Du sitzt?“
„Komm, mach schon, hier brennt’s an allen Ecken.“
„Weil er zu viel arbeitet.“
„Wer, Holberger?“
„Weil er Tag und Nacht im Büro hockt und keine Zeit hat für die Familie?“
„Tag und Nacht im Büro! Holberger!“
„Hast du den hier schon einmal in der Nacht gesehen?“
„Nicht einmal Licht in seinem Büro.“
„Sogar am Tag ist es nicht einfach, ihn im Büro anzutreffen.“
„Jedenfalls vor halb zehn.“
„Und nach halb fünf.“
„Und spielt zu Hause den Workaholic.“
„Holberger! Workaholic!“
„Und du bist sicher, das das der Grund ist?“
„Positiv. Kennst du Grobet?“
„Von der Typco?“
„Jetzt bei Saltag. Spielt Tennis mit mir. “
„Gross? Schnauz?“
„Genau der.“
„Nicht persönlich.“
„Von ihm hab ich’s. Seine Frau ist mit Holbergers Frau befreundet. Sie habe ihm ein Ultimatum gestellt. Die Firma oder die Familie.“
„Und er hat sich für die Firma entschieden?“
„Jedenfalls wohnt er jetzt im ‘Seeblick’ “
„Da kann er ja jetzt problemlos die Nächte durchschuften.“
„Da kann er sich ja jetzt eine Matratze ins Büro legen.“
„Opfert die Familie der Firma. Ausgerechnet Holberger.“
„Dieser eingeschlafene Fuss.“
„Sachen gibt’s.“
„Fragt sich nur: was macht er wirklich.“
„Wenn die Frau glaubt, er sei im Büro und schufte sich ab?“
„Irgendwo muss er ja sein, wenn er nicht hier ist.“
„Du meinst, cherchez la femme?“
„Wäre nicht der erste, der es als Überstunden deklariert.“
„Holberger ein Verhältnis? Dann noch eher Workaholic.“
„Stille Wasser.“
„Vielleicht stinkt es ihm einfach, heimzugehen. Vielleicht geht er ins Kino. “
„Und wieso nicht zur Freundin?“
„Er ist nicht der Typ.“
„Sieht doch nicht übel aus.“
„Aber so phlegmatisch.“
„Vielleicht ist er nur immer müde. Von den ÜBERSTUNDEN.“
„Das wäre allerdings ein starkes Stück.“
„Dich betrifft es ja nicht.“
„Und was ist mit unseren Überstunden?“
„Die sind echt.“
„Eben. Vielleicht müssten wir weniger machen, wenn dieser faule Hund auch ein paar echte machen würde.“
„Aber Holberger ist doch im Vertrieb.“
„Aufs Gesamte gesehen würde es wohl doch etwas ausmachen für den Einzelnen, wenn diese Pfeife auch seinen Job machen würde.“
„Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?“
„Ach was. Ich rackere mich nur nicht gerne Tag und Nacht ab und gönne mir nichts, nur damit so ein geiler Bock sich auf meine Kosten, verstehst du?“
„Irgendwie schon.“
Nur einmal erschienen am 16.5.96