Aloa aus Frankfurt
In einem Bus auf dem Flughafen Frankfurt steht Büchi und ignoriert. Ignoriert den überdimensionierten mexikanischen Sombrero auf dem Kopf des jungen Mannes im FC-Barcelona-Trikot. Ignoriert das Tattoo einer zahnlos lächelnden Sonne auf der Schulter der jungen Frau mit der Flechtfrisur. Ignoriert die Muskeln der drei braun gebrannten Typen in Shorts und Trägerleibchen und ihre lustigen Sprüche. Ignoriert den rundlichen Herrn mit dem über der Hose getragenen weiten Hawaiihemd. Ignoriert sogar den fahrbaren Rucksack in seiner Kniekehle.
Alles, was er sich wünscht, ist, dass dieser verdammte Bus endlich von diesem verdammten Gate losfährt und ihn zur Maschine bringt, in die stille Normalität der Business-Class.
Büchi ist mit Abstand der am größten gewachsene Mann im Bus. Und einer der wenigen anständig gekleideten. Seine einzige Konzession an die Jahreszeit ist ein leicht erhöhter Baumwollanteil in seinem dunkelblauen Mischgewebe.
Aber dieses Ferienheimkehrerpack bringt es fertig, dass er es ist, der sich deplaziert vorkommt. Schon deshalb hasst er die Ferienzeit.
Drei indignierte Blicke auf die Armbanduhr später startet der Bus endlich zu seiner Irrfahrt zum wartenden Airbus.
Beim Betreten der Maschine wirft er der Flugbegleiterin am Eingang einen Blick zu, der sagt: Na dann, viel Vergnügen.
Er setzt sich auf seinen Sitz, 3D, Gang wie immer und ignoriert die vorbeigehenden Sombrerobesitzer, Zöpfchenfrauen, Muskelwitzbolde.
Er hätte auch den Typen im Hawaiihemd ignoriert, wenn der ihm nicht den Abschnitt seiner Bordkarte unter die Nase gehalten hätte. 3F, der Fenstersitz neben ihm.
Nach und nach füllen sie auch die andern Sitze der Business Class mit abklingenden Sonnenbränden, exakt verstrubbelten Gel-Frisuren, verspiegelten Okley-Brillen, übergroßen Bermudas, nicht ganz blickdichten Sarongs und übermüdeten Eltern mit hellwachen Kindern. Büchi wird sich für die nächste knappe Stunde hinter der Financial Times verschanzen müssen.
Aber der Mann im Hawaiihemd nimmt die letzte Financial Times! Was fällt dem ein? Einer im Hawaiihemd soll die Bunte lesen. Oder die Schweizer Illustrierte. Und nicht denen, die die Wirtschaft am Laufen halten, damit sie selber im Hawaiihemd rum faulenzen können, das Handwerkszeug vorenthalten.
Die Flugbegleiterin kommt mit einem Tablett mit Getränken vorbei. Sein Sitznachbar nimmt das letzte Glas Champagner. Natürlich kann Büchi sich auch mit etwas Alkoholfreiem begnügen, er ist ja nicht abhängig. Aber es wäre nichts als Anstand, wenn man dem einzigen Menschen weit und breit, der dieses öffentliche Verkehrsmittel NICHT zu seinem Vergnügen benützt, sondern in Ausübung seiner Pflicht, wenn man diesem offenbar letzten BERUFSTÄTIGEN unter der Sonne am Ende eines aufreibenden Tages seine kleine Belohnung gönnen würde.
Büchi stellt sich für den Rest des Fluges schlafend und ignoriert den frenetischen Applaus nach der Landung.
Zu Hause empfängt ihn seine Frau inmitten von halbgepackten Koffern.
„Hast du dir dieses Hemd mit den vielen bunten Blumen für auf die Reise gekauft, oder soll ich es auch in den Koffer packen?“